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Pilze für Madeleine

Pilze für Madeleine

Titel: Pilze für Madeleine
Autoren: Marie Hermanson
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heirateten und zogen ins Erdgeschoß von Mutters Elternhaus. Agneta fand Arbeit in einem Altersheim, und ich fischte mit Tommy und Börje. Die harte Arbeit gefiel mir jedoch nicht sonderlich. Sobald ich etwas Zeit hatte, zog ich mich mit »Das Beste« zurück oder einem Buch aus Mutters Buchklub.
    »Du liest ja mehr, als du fischst«, sagte Tommy. »Du solltest auf eine Volkshochschule gehen.« Zum ersten Mal hatte das der Polizist gesagt, der mich nach Madeleines Tod verhört hatte. Warum nicht? dachte ich, und im nächsten Herbst saß ich auf der Schulbank.
    Und da blieb ich eine ganze Weile. Meine Schulzeit hatte ich in einer Art Halbschlaf verbracht. Hinter einem schützenden Schleier von Dummheit hatte ich mich wahnsinnigen Phantasien von erstaunlichen mykologischen Erfolgen und von schmachtenden Frauen hingegeben. Das war jetzt alles vorbei. Ich erkannte plötzlich, wie wenig ich wußte, und ich sehnte mich nach Bildung.
    Als ich erst einmal mit dem Lernen angefangen hatte, war ich nicht mehr zu bremsen. Ich studierte immer weiter und hörte nicht auf, bis ich selbst Volkshochschullehrer war. Agneta und ich waren inzwischen aufs Festland gezogen, um nicht mehr pendeln zu müssen. Agneta studierte auch, sie machte eine Ausbildung zu Krankengymnastin.
    Vater blieb in unserer Kate im Wald wohnen, und wir trafen uns hin und wieder. Ich habe es nie übers Herz gebracht, ihm zu sagen, daß er nicht mein leiblicher Vater war. Und streng genommen, war das auch nicht wichtig.
    Manchmal veranstaltete er im Herbst einen Pilzkurs. Die Pilze mußte er wie früher ohne fremde Hilfe suchen, Roxy war als Pfifferlingshund völlig unbrauchbar. Der Hund nahm gern an den Pilzausflügen teil, er lauschte Vaters Weisheiten, aber wenn es an die praktische Arbeit ging, verlor er das Interesse und jagte lieber Eichhörnchen.
    Vaters Interesse für Pilze blieb bestehen. Sein ganzes Leben lang faszinierten ihn diese rätselhaften Organismen. Er verfolgte die Forschung und wurde nie müde, andere an seinem Wissen teilhaben zu lassen.
    Aber eine Veränderung bemerkten wir schon bei unserer Hochzeit:
    Vater zuliebe hatte wir uns bemüht, getrocknete Steinpilze zu beschaffen, damit wir ein Pilzsoufflé als Vorspeise servieren konnten. Alle aßen mit guten Appetit. Nur Vater nicht.
    Ob es an seinen maßlosen Trüffelorgien im vorigen Winter lag oder an den Unmengen von Pilzen, die er im Lauf der Jahre zu sich genommen hatte, weiß ich nicht. Aber Vater war allergisch auf Pilze geworden, und er aß bis an sein Lebensende keinen einzigen Pfifferling mehr.
     
    Ende.
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