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Pilze für Madeleine

Pilze für Madeleine

Titel: Pilze für Madeleine
Autoren: Marie Hermanson
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Schulter.
    Ich zog meine Unterhosen aus, nahm sie in den Arm und rollte mich in einer einzige Bewegung auf sie, versank zwischen ihren Schenkeln und verschwand in etwas unendlich Weichem, Feuchtem und Warmem. Sie hielt sich wie ein Tierjunges an mir fest.
    Es war so leicht und selbstverständlich. Wie wenn man am Abend ein Netz auslegt, das sich mit Fischen füllt, während man schläft. Alles schwimmt einem in die Arme, obwohl man es sich nicht verdient hat.
     
    Die Sonne stand hoch am Himmel, als ich, das Badetuch um die Hüften, aus der Hütte kam, um zum Klohäuschen zu gehen.
    Ruth stand auf der Treppe und schüttelte ein Staubtuch aus. Ich grüßte und ging rasch weiter.
    »Heute weiß ich es noch«, rief Ruth und hielt die Hand über die Augen. »Weißt du, wovon ich heute nacht geträumt habe?«
    »Nein.«
    »Von Pinguinen! Stell dir vor! Die ganze Wiese war voller Pinguine, bis hinunter zum Zaun.«
    »Was bedeutet das?«
    »Darüber denke ich schon die ganze Zeit nach. Eiseskälte kann es um diese Jahreszeit nicht bedeuten. Aber Pinguine sind angenehme, freundliche Tiere. Es gibt bestimmt angenehmes, freundliches Wetter. Sonne und eine frische Brise. Von Südwest.«

27
    So im nachhinein muß ich sagen, daß Ruth ihren Pinguintraum völlig richtig gedeutet hat. Nicht nur an diesem Tag, sondern den ganzen Sommer über herrschte freundliches Wetter. Sonnig, aber nicht zu heiß, eine ständige sanfte Brise vom Meer, ab und zu regnete es nachts, was die Luft angenehm abkühlte.
    Es war der Sommer der Entdeckungen.
    Ich entdeckte die Insel, das Meer und meine Familie.
    Ich entdeckte die Liebe. Was wirklich an der Zeit war, wenn man an meine Herkunft dachte. Obwohl ich der Sohn einer Frau war, die mit wilden Krokodiljägern ins Bett ging, von denen sie nicht einmal den Namen kannte, war ich wie ein prüder älterer Herr durchs Leben gegangen!
    Die Einarssons schienen ein kräftiges erotisches Gen zu besitzen. Man fing früh an und bekam viele Kinder. Vielleicht war das ein Erbe aus der Zeit, als die Männer oft monatelang zum Fischen auf dem Atlantik unterwegs waren und der Fortbestand der Familie von einem intensiven Liebesleben während der kurzen Zeit an Land abhing.
    Jetzt stellte ich fest, daß die Liebe etwas ganz anderes war als meine schmerzhafte Leidenschaft für Madeleine oder mein bedingungsloses Sehnen nach einer Jasmine aus dem Magazin. Ich entdeckte mich selbst und war erstaunt, was ich alles fand.
    Ich konnte Dinge, von denen ich nichts ahnte.
    Ich mochte Dinge, von denen ich nichts gewußt hatte.
    Ich erlebte das eigenartige Gefühl, mir selbst neu zu sein.
    Aber tief in mir drinnen gab es einen dunklen Kern, den ich nicht berührte. Tagsüber war mir kaum bewußt, daß es ihn gab. Aber nachts tauchte er in meinen Träumen auf, wie der Meeresboden bei Ebbe, und ich ballte meine Faust vor Haß.
    Vater!
    Ich hatte ihn nicht vergessen. Daß er nicht mein biologischer Vater war, änderte nichts.
    Der Rainfarn blühte am Wegrand. Die Nächte wurden wieder dunkel, schwarz und dicht wie eine Filzdecke, das glitzernde Meeresleuchten umfing uns, wenn Agneta und ich nachts im schwarzen Wasser badeten.
    Der Sommer neigte sich unerbittlich seinem Ende zu.
    Eines Tages fand ich ein paar vertrocknete Pfifferlinge hinter dem Klohäuschen von Ruth und Hjalmar. Ich starrte sie an, und mein Blick muß etwas von meinen Gedanken verraten haben, denn Agneta fragte mich besorgt:
    »Was ist denn mit dir, Gunnar? Was starrst du da so an?«
    Agneta wusste jetzt, daß ich Madeleine mit einem Pilzgericht vergiftet hatte. Ich hatte es ihr in allen Einzelheiten erzählt. Wie ich versucht hatte, Madeleine mit dem Höhlenpilz zu verführen. Das schreckliche Erlebnis in Vaters Schlafzimmer. Aber ich hatte nichts von Vater gesagt. Von seiner Rolle in dieser Sache wußte sie nichts. Und angesichts der Pläne, die ich in mir trug, sah ich keine Veranlassung, ihr auch diesen Teil der Geschichte zu erzählen.
    »Ach nichts«, murmelte ich und zertrat die Pilze mit der Schuhsohle.
    Sie zerbröselten zu gelbem Pulver.
     

Roter Fliegenpilz (Amanita muscaria)
     
    Der rote Fliegenpilz wurde früher als tödlich giftig angesehen. Jetzt weiß man, daß er weniger giftig ist, als man glaubte. Er enthält nur einen kleinen Anteil vom Nervengift Muscarin. Der Pilz hat jedoch eine halluzinogene Wirkung.
     
    Bodil Mossberg u.a., Pilze in Natur, Kultur und Küche

28
    Niemand nahm Anstoß an einem grünen Volvo, als ich an einem klaren
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