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Pilze für Madeleine

Pilze für Madeleine

Titel: Pilze für Madeleine
Autoren: Marie Hermanson
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man ihren schiefen Eckzahn sehen konnte. Dann wendete sie schnell und schwamm an Land. Ich verfolgte sie unter Wasser. Als sie auf den tangbewachsenen Felsen klettern wollte, packte ich sie bei der Taille und zog sie wieder ins Wasser. Ich wollte, daß sie noch einmal so lachte und ihren schiefen Eckzahn zeigte.
    Wir planschten noch eine Weile umher und spielten unser unglaublich blödes Spiel, sie kletterte aus dem Wasser, und ich zog sie wieder hinein. Ich ließ los, gab ihr etwas Vorsprung, und wenn sie ein Tangbüschel zu fassen bekommen hatte, packte ich sie wieder. Es gefiel mir, so viel stärker als sie zu sein. Daß sie tatsächlich keine Chance gegen mich hatte. Aber als ich sah, daß sie müde war und wirklich aus dem Wasser wollte, ließ ich sie los und half ihr auf den Fels.
    Sie keuchte und bückte sich nach ihrem Badetuch, aber ich war schneller, ich legte es ihr um die Schultern und rieb ihr Arme und Rücken. Sie stand still, war immer noch außer Atem und schaute mich lachend an.
    Ich ließ das Badetuch etwas herunterrutschen und küßte sie leicht auf die Schulter. Sie schmeckte wunderbar. Ich küßte ihren Hals, ihre Arme, ihre Knie, überall, wo ich hinkam. Kleine, kindische Küsse, die sie offenbar kitzelten, denn sie krümmte sich vor Lachen und versuchte, sich mit dem Badetuch zu schützen. Aber ich machte weiter. Dieser Geschmack nach Salz, Jod und Haut machte mich süchtig, es war geradezu unheimlich.
    Wir wickelten uns in die Badetücher und gingen zum schiefen Häuschen zurück.
    Die Hütte war sehr niedrig, und es roch eigenartig.
    »Diese Bude muß mindestens hundert Jahre alt sein«, sagte ich.
    Agneta streckte sich nach dem Untersetzer einer Geranie am Fenster.
    »Schau mal.«
    Agneta hatte eine Glaskugel in der Hand, dann bückte sie sich und legte sie auf den Holzboden. Die Kugel begann sofort zu rollen. Sie bremste sie mit einem Finger, aber sobald sie den Finger wegnahm, rollte sie weiter.
    »Hier drinnen ist alles schief. Der Boden, die Wände, der Herd. Wenn Mutter Pfannkuchen bäckt, fließt der Teig auf eine Seite der Pfanne.«
    Wir spielten eine Weile mit der Kugel, legten sie an verschiedene Stellen auf dem Fußboden. Sie rollte nicht überall gleich gut.
    Dann ging Agneta in das andere Zimmer.
    Als ich ihr folgte, lag sie auf einem Bett. Wir hatten immer noch unsere nassen Badesachen an. Ich legte mich zu ihr und rollte auf sie zu, als wäre ich die Kugel, die nicht stilliegen konnte.
    »Du liebe Zeit, ist das schief!« sagte ich.
    Ich übertrieb natürlich, aber sie machte mit.
    »Ja, o weh, o weh, was für ein Seegang«, sagte sie und schlug die Arme um mich und zog mich zu sich. Ich spürte ihre nassen Haare, ihren Salzgeruch. Ihren Mund, der sich meinem öffnete, ihre Arme um meinen Hals und ihren fast nackten Körper, der sich unter mir drehte. Es war völlig klar, was sie wollte.
    Plötzlich erstarrte ich.
    »Was ist denn?«, fragte sie erschrocken, »Stimmt etwas nicht?«
    Mein Herz klopfte, und ich fiel auf den Rücken. Ihre Hand bewegte sich vorsichtig über meine Brust, aber ich schob sie weg.
    Einen Moment hatte es sich genau so angefühlt wie damals, als Madeleine unter mir lag, schwitzend und keuchend, die nackten Brüste über dem ausgeschnittenen Nachthemd. Es pochte und brannte in meinem Unterleib. Und im nächsten Moment hatte Agnetas Körper sich verwandelt. Die Sonnenbräune war verblaßt, die Augen starrten leer, und der Kopf fiel schlaff zur Seite. Es war dunkel im Zimmer, und als ich sie losließ, wußte ich, daß ich geträumt hatte, mein Gehirn hatte mir einen Streich gespielt. Aber eine Sekunde lang war es schrecklich wahr gewesen. Ich hatte eine Leiche in meinen Armen gehalten!
    »Was ist denn los, Gunnar?« flüsterte Agneta.
    »Was ich anfasse, stirbt«, murmelte ich.
    »Wie meinst du das? Daß ich sterbe, wenn du mich anfaßt?«
    »Ich habe so ein Gefühl.«
    Sie lachte unsicher. Sie glaubte bestimmt, ich sei verrückt.
    »Aber du hast mich doch schon angefaßt, und ich bin nicht gestorben.«
    »Nein, aber weiter darf es nicht gehen. So ist es nun einmal, Agneta, und das mußt du verstehen. Ich verbreite Tod um mich. Nein, faß mich bitte nicht an. Ich möchte nicht, daß du mich anfaßt.«
    »Dann eben nicht«, sagte sie verletzt. »Wenn du nicht willst.«
    Ich stieg aus dem Bett und suchte in der Dämmerung nach meinen Kleidern. Ich versuchte, meine Unterhosen zu finden. Ich wollte weg von hier. Nur weg.
    »Was hast du vor?« fragte Agneta.
    Ich
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