Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Pilze für Madeleine

Pilze für Madeleine

Titel: Pilze für Madeleine
Autoren: Marie Hermanson
Vom Netzwerk:
abnehme und er sich nicht dem Versuch aussetzen mußte. Aber er wollte zuerst seine Vorstellung geben. Es war wichtig für ihn, daß ich da war und zuschaute.
    Mit einemmal tat er mir leid. Diese lächerliche Vorstellung. Die Feigheit.
    Wie alt und klein und jämmerlich er aussah.
    »So, jetzt, Vater, jetzt gehen wir in den Wald und suchen Pfifferlinge.«
    Er rieb sich mit dem Pulloverärmel die Augen.
    »Bleibst du den ganzen September?« fragte ich.
    »Ich bleibe für immer«, sagte Vater. »Ich fahre nicht mehr nach Frankreich.«
    »Gut. Dann kannst du im Frühjahr auch zu meiner Hochzeit kommen.«
    »Willst du heiraten?«
    Er blinzelte mich neugierig an.
    »Ja.«
    »Gratuliere.«
    »Willst du mich nicht fragen, wen ich heirate?«
    »Es dürfte kaum jemand sein, den ich kenne?«
    »Willst du nicht fragen, ob es Agneta Bengtsson ist?«
    Vater lächelte.
    »Ich habe doch verstanden, daß du nicht an ihr interessiert bist.«
    »Aber willst du nicht trotzdem fragen?«
    »Ist es Agneta Bengtsson?«
    »Ja«, antwortete ich. »Sie ist es.«
    Dann gingen wir in den Wald und suchten Pfifferlinge. Meine Gedanken an Rache waren wie weggeblasen. Ich sah Vater so, wie er war: ein jämmerlicher, etwas komischer alter Mann.
    Wir gingen zu unseren alten Pfifferlingstellen. Vater war langsamer und stiller als sonst. Dann wurde er wieder munter, stieg hin und wieder auf einen Stein und hielt Vorträge.
     
    In diesem Herbst wanderten Agneta und ich über die Felsen auf der Insel und planten unsere gemeinsame Zukunft. Das Leben zu planen war etwas ganz Neues für mich. Das hatte bisher irgendwie keinen Sinn gehabt. Es hätte doch nichts gebracht. Jetzt war alles anders.
    Im nächsten Herbst würde Britt-Maries und Tommys neues Haus zum Einzug fertig sein und das Erdgeschoß in Mutters Haus frei werden. Dort wollten wir wohnen.
    Bis dahin mußten wir uns mit meinem Zimmer in Mutters Wohnung begnügen. Wir hätten gerne Ruths und Hjalmars schiefe Hütte gemietet, aber die konnte man nicht heizen.
    Agneta wollte auf dem Festland arbeiten und pendeln. »Krankenschwestern finden immer Arbeit«, sagte sie. Ich hatte das Angebot, zusammen mit Tommy und Börje zu fischen.
    Plötzlich hatte ich ein Leben.

29
    Der Schnee war so tief, daß der Hund fast darin verschwand. Nur sein Kopf und der buschige Schwanz schauten heraus. Er machte einen Riesensatz, warf sich dem Schneeball entgegen und schnappte ihn. Er plumpste zu Boden, schaute sich um, nach oben und unten, als suche er den eigenartigen Ball, der plötzlich wieder verschwunden war. Wir lachten über ihn.
    »Hier Roxy, noch einer, willst du den auch?« rief Vater, machte einen neuen Schneeball und schleuderte ihn durch den dünnen Schleier aus Schneeflocken, der in der Luft lag.
    Der Hund, der auf ihn zugelaufen war, drehte sich um und lief zwischen die Tannen.
    »Habt ihr das gesehen? Was für ein Reaktionsvermögen! Was für eine Treffsicherheit!« rief Vater, als der Hund auch diesen Schnellball auffing, bevor er zu Boden fiel.
    »Noch ist es ein Spiel. Aber im Herbst beginnt der Ernst. Dann werde ich ihn zum Pfifferlingshund umschulen. Hast du das gehört, Roxy! Im Herbst wirst du keine Schneebälle fangen, sondern Pfifferlinge suchen.«
    Der Hund kam auf ihn zugelaufen und setzte sich ihm zu Füßen. Der Schwanz peitschte den neu gefallenen Schnee zu einer Wolke. Vater streichelte ihn lobend.
    »Er wird das hervorragend können. Sein Geruchssinn ist perfekt. Alle seine Sinne sind perfekt.«
    Vater trug die Winterausrüstung der Armee, die Ohrenschützer der Schirmmütze hatte er heruntergeklappt. Ein paar Schneeflocken zitterten in seinem Schnurrbart, wenn er redete.
    Agneta und ich waren gekommen, um Weihnachten zu feiern. Wir wohnten bei ihren Eltern unten im Ort. Als der Schneepflug die Straße räumte, fuhren wir hinter diesem her den Berg hinauf und besuchten Vater. Das letzte Stück zur Kate waren wir zu Fuß durch den Schnee gegangen.
    Vater bot uns Kaffee und Pfefferkuchen an und freute sich so über unseren Besuch, daß ich mich schämte. Agneta und ich hatten so viel um die Ohren gehabt, daß ich den ganzen Herbst keine Zeit gehabt hatte, ihn zu besuchen. Die harte und ungewohnte Arbeit auf dem Fischerboot strengte mich sehr an. Aber wir hatten natürlich miteinander telefoniert. Vater hatte mir von Utboms Hund erzählt:
    »Eines Tages klang er so merkwürdig. Es war nicht das übliche Bellen. Er jaulte auf eine Art, wie ich ihn noch nie hatte Jaulen hören. Das war das
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher