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Piesberg in Flammen

Piesberg in Flammen

Titel: Piesberg in Flammen
Autoren: Heinrich-Stefan Noelke
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»Da gibt es nichts zu sagen. Ich werde bald achtzehn.« Sie riss sich los. »Jetzt lasst mich!« Dann lief sie davon. Sie streckte noch kurz die Zunge heraus und ließ einen zu intensiven Geruch nach Parfüm zurück.
    Ihre Mutter rettete sich an den Tisch. Sie legte schützend die Hand über den Mund und atmete hörbar durch die Nase ein. Als söge sie Kraft aus dem Geruch ihrer Haut. »Sie ist läufig, das ist so in diesem Alter«, sagte sie trocken. »Sie zieht sich an wie eine Nutte.«
    Â»Mach dir keine Sorgen«, sagte Hero Dyk.
    Â»Keine Sorgen?«, fuhr sie ihn an. »Wie kommt sie auf so etwas? Karl hat kaum Zeit, sie zurechtzuweisen, wie es seine Pflicht wäre. Er ist völlig überfordert.«
    Hero Dyk bedauerte sie ein wenig. »Er mag es sicher nicht, wenn ich seine Tochter erziehe. Komm«, sagte er und zog eine CD aus der Tasche. In einer Ecke stand ein kleiner CD -Spieler, und bald erklang Musik. Eine Ballade.
    Â»Mmmh«, machte Lena und schloss tapfer die Augen. »Jacqui LaBelle. Wie lange habe ich die nicht mehr gehört? ›Maantje timpe te‹. So heißt doch das Stück, oder? Wohnt sie noch hier in Osnabrück?«
    Hero Dyk nickte. »Ich bin auf dem Weg, sie zu sehen«, erwiderte er voller Enthusiasmus. »Stell dir vor, ich will sie buchen! Für meine Geburtstagsfeier.«
    Â»Leise«, mahnte Lena und wies Richtung Schlafzimmer. »Er will doch schlafen.«
    Er bat sie, ihm ihre Hand zu reichen, und sie tanzten in einem langsamen Walzerrhythmus durch die Küche, bis der pfeifende Kessel sie unterbrach. Hero Dyk nahm sein zweites Frühstück ein und langte ordentlich zu. Lena hatte Spaß an seinem Appetit.
    Â»Die arme Jacqui LaBelle«, sagte sie. »Es kennt sie kaum noch jemand.«
    Â»Ich weiß, wo sie wohnt«, sagte er. »Am Piesberg. In Pye. Das ist nicht weit von hier.«
    Â»Ach du«, lachte sie versonnen, dann hielt sie ihn unvermittelt an den Oberarmen fest, um ihn ernst anzusehen. »Hero«, sagte sie, »bitte … kannst du ein Auge auf Feli haben, bitte? Sie hat nur Unsinn im Kopf.«
    Hero Dyk nickte. »Hat Karl so viel zu tun?«
    Â»Er musste gestern Abend noch mal raus und kam erst spät nach Hause. Am Nachmittag muss er schon wieder zurück zur Dienststelle. Sie suchen den, der die Feuer legt.«
    Die Stadt wurde von einem Brandstifter heimgesucht. Bisher hatte es lediglich einsame Häuser in den Randbereichen getroffen, und nie war jemand zu Schaden gekommen. Doch das konnte sich ändern. Karl Heeger war Ursachenermittler für Todesfälle im Range eines Hauptkommissars, wurde aber auch bei Bränden hinzugezogen.
    Â»Komm«, sagte Hero Dyk munter. »Ich helfe dir aufzuräumen.«
    Gemeinsam versuchten sie, Ordnung zu schaffen, ohne den erschöpften Hauptkommissar zu stören, aber es war zu spät. Er stand plötzlich in der Tür und reichte mit dem Kopf fast bis an den Rahmen. Sein Gesicht war aschfahl. Er brummte vor sich hin, ohne dass die Laute Sinn ergaben, doch es klang gefährlich.
    Â»Ach, mein Lieber«, flötete Lena und eilte ihm entgegen. »Haben wir dich geweckt?«
    Heeger brummte erneut, ließ sich jedoch zum Tisch geleiten und tastete dabei um sich wie ein Blinder. Die kräftigen Augenbrauen und das buschige Haar waren so grau und stumpf wie seine Haut, und es schien Staub auf ihnen zu liegen, wenn auch nur ein wenig. Die Müdigkeit machte ihn älter, als er war.
    Â»Was ist denn hier los?«, stöhnte er mit kratziger Stimme und griff nach dem Kaffee.
    Lena grinste und fragte, ob er ein Ei wolle. Heeger nickte.
    Â»Na?«, brachte er heraus und sah Hero Dyk an. »Was tanzt du hier mit meiner Frau?«
    Â»Ich habe ihr ein altes Lied vorgespielt. Jacqui LaBelle.«
    Heeger trank düster seinen Kaffee. »Ich traue dir nicht«, sagte er. »Du bist erst froh, wenn du deine Nase irgendwo reinstecken kannst. Was ist mit Feli?«
    Hero Dyk antwortete mit einer Unschuldsgeste. Heeger brummte, und Lena schimpfte nun laut über die Männer im Allgemeinen.
    Hero Dyk erhob sich und nahm noch einen Pfannkuchen auf die Hand. »Ich liebe euch«, sagte er und ließ sie allein. Im Gehen drehte er sich noch einmal um: »Ehrlich.«
    * * *
    Der Wald stand nackt und farblos bis auf ein paar welke braune Blätter, die im letzten Herbst nicht gefallen waren. Lianen brachten das erste neue
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