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Piesberg in Flammen

Piesberg in Flammen

Titel: Piesberg in Flammen
Autoren: Heinrich-Stefan Noelke
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Herren zwängten sich in den kleinen Raum, um nach ihren Hemden zu fragen. Er verabschiedete sich und wartete ein paar Minuten gegenüber auf der anderen Straßenseite. Sah dem Treiben auf der Straße zu und zückte sein Notizbuch.
    Â»Es sind alles Männer, die die Wäsche abholen«, notierte er. »Auf dem Weg zur Arbeit fahren sie bei der Heißmangel vorbei.«
    Froh, ein kleines Stück funktionierender Arbeitsteilung in dieser Welt entdeckt zu haben, setzte er seinen Weg fort. Er fuhr in Richtung Gartlage, um seinen Freund Karl zu besuchen.
    * * *
    Karl Heeger besaß am Ickerweg eine Flachdachvilla im Stil der sechziger Jahre, nicht weit von der Bahnlinie entfernt, und Hero Dyk ging bei ihm ein und aus. Lena, Heegers Frau, hatte ihn heute früh angerufen, sie brauche seine Hilfe und müsse mit ihm sprechen.
    Karl war Ermittler bei der hiesigen Polizei und Hero Dyks bester Freund. Ein hochgewachsener, dünner Mensch. Die beiden Männer kannten sich seit der Schulzeit am Dümmer. Der eine war dort geboren, der andere zog nach der Scheidung seiner Eltern mit der Mutter in ein Haus am See und brauchte dringend neue Freunde.
    Das Osnabrücker Stadtgebiet hört an seinen Rändern sehr abrupt auf, und ringsum macht sich die hübscheste Landschaft breit. So auch am Ickerweg. Von den Äckern jenseits der Bahnlinie wehte ein herber Duft herüber, und die Vögel sangen in den Gärten, als Hero Dyk an der Tür läutete.
    Lena öffnete und strahlte über das ganze Gesicht, erfreut, ihn zu sehen. Hero Dyk bückte sich und umschloss die zierliche Frau innig mit seinen langen Armen.
    Â»Mein Gott«, rief er lachend. »Diese Augen! So wunderschöne blaue Augen. Und wie du duftest!« Er hielt seine Nase über ihr in die Luft und sog sich voll.
    Lena Heeger errötete ein wenig. Ihre Augen waren so braun wie ihr dunkles, kurz geschnittenes Haar, doch das Kompliment gefiel ihr trotzdem. Sie trug einen weiten Pullover und enge Jeans. Sandalen an den Füßen, die mit Strass besetzt waren. An ihren Händen und an der Stirn klebte Mehl.
    Â»Das ist Gülle, was du riechst«, sagte sie lachend mit leicht heiserer, aber kräftiger Stimme. »Von den Feldern her. Komm rein. Ich habe Pfannkuchen fertig. Karl versucht zu schlafen, also sei leise.« Sie versuchte, sich aus seiner Umarmung zu winden.
    Hero Dyk schnurrte ihr sanft ins Ohr, und sie zog schaudernd die Schultern hoch. »Die Blumen werden billiger«, deklamierte er. »Die Mädchen werden williger. Es riecht von den Aborten – kurz: Frühling allerorten.«
    Sie stieß ihn von sich, lachte gurrend und ging in die Küche voraus. »Könnte von Kästner sein«, sagte sie. »Nicht von dir.« Sie stellte einen Kessel Wasser auf den Herd.
    Tänzelnd kam Hero Dyk ihr hinterher. Ihre Tochter Ophelia saß am Küchentisch und grinste frech über beide Backen. Die Ähnlichkeit mit ihrer Mutter war nicht zu übersehen. Jeder nannte sie Feli.
    Â»Hero«, rief das Mädchen kauend, »was willst du denn hier?«
    Â»Sie hat nur noch selten Schule«, entschuldigte Lena ihre Tochter.
    Â»Is’ bald vorbei«, sagte Feli. »Für immer. Bald ist Abitur.« Dann stand sie auf. Sie war mit einem kurzen Leinenkleid und hohen Schuhen bekleidet. »Ich muss los. Die Gäste im ›Trota‹ warten auf mich.« Sie jobbte in einem Restaurant in der Innenstadt.
    Das Kleid hatte unten einen breiten Saum aus Spitze, an dem sie ständig zupfte, aus Angst, er würde ihr sonst über den Po rutschen. Eines von den Teilen, in dem man sich kaum bewegen darf, aber sie ziehen es trotzdem an. Feli war ein schlaksiges Mädchen mit überlangem, dunklem Haar. Ihr Gesicht war etwas zu spitz. Sie trug die Nase leicht hoch, was an ein junges Fohlen denken ließ. Als ob sie so noch mehr von der Welt erfahren könnte. Ihre dunkelblauen Augen standen eng beisammen.
    Â»Es ist frisch draußen«, sagte Hero Dyk. »Richtig frisch. Es ist März. Als ich aus dem Haus ging, hatten wir vier Grad plus. Du bist vielleicht etwas leicht angezogen.«
    Dem Mädchen war das egal.
    Lena hielt Feli am Arm zurück. »Sie war gestern noch spät unterwegs«, sagte sie mit Blick auf Hero Dyk. »Sehr spät. Und sieh dir an, wie sie zur Arbeit geht! Sag du ihr doch mal was. Du bist ihr Pate. Auf dich hört sie vielleicht.«
    Feli stöhnte.
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