Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wie Viel Bank Braucht der Mensch?

Wie Viel Bank Braucht der Mensch?

Titel: Wie Viel Bank Braucht der Mensch?
Autoren: Thomas Fricke
Vom Netzwerk:
Einleitung:
Abschied aus dem Geldparadies
    »Die Effizienz des US-Kapitalmarkts ist legendär. Kapitalmärkte gelten als effizient, wenn sie sehr schnell viele Aktienverkäufer mit Aktienkäufern zusammenführen. Das ist teils eine Sache moderner Computertechnologien, teils aber auch der Tradition und Erfahrung.«
    Aus einer Broschüre der US Information Agency aus den 80er Jahren
    »Kapitalmärkte erhöhen die Wohlfahrt. Sie sind nicht eine Spielwiese allein für die Reichen.«
    Aus dem Lehrbuch Kapitalmärkte , 2005
    Die Ehrfurcht schwindet, die Zweifel wachsen. Noch vor ein paar Jahren gehörten Lobeshymnen auf vorausschauende, geradezu weise Menschen an internationalen Finanzmärkten zum Standard in Kommentaren und Politikerreden. Da konnte es von so viel Weisheit an Börsen und in Banken nicht genug geben. Heute mag keiner mehr schwärmen, die Hymnen sind nach Bankenkrise und -skandalen weitgehend verstummt. Nach fast sechs Jahren Finanzkrise und ihren Nachbeben wirkt mancher Gesang aus der Zeit von vor 2007 eher wie, sagen wir, Erich Honecker auf dem letzten Parteitag, beim Aufsagen der Errungenschaften des Kommunismus.
    Ein Betriebsunfall in einer ansonsten funktionierenden globalisierten Bankenwelt? Nur ein paar menschlich-moralische Ausreißer, die bald wegbestraft sind? Oder ist der Bruch doch tiefer? Gibt es gar so eine Art Honecker-Moment, wenn auch in leicht, nach drei Jahrzehnten immer grandioser wachsender Finanzmärkte? Und wenn ja, was kommt dann? Bricht da gerade ein System in sich zusammen? Die Antworten darauf könnten darüber entscheiden,wie gut oder schlecht es uns in den nächsten Jahrzehnten ergehen wird.
    Noch wirkt die Ehrfurcht nach. Wir sind ja aufgewachsen mit dieser Mischung aus Glauben und tiefem Respekt, dass Banken anders, reicher, vornehmer und mächtiger sind. Dass in den Schalterräumen feiner Teppich liegt, nicht schnödes Linoleum wie beim mittelständischen Präzisionsmaschinenbauer in Wanne-Eickel.
    Wir haben gelernt, dass Banken so viel Platz brauchen, dass sie ihre Zentralen seit den 70er Jahren in der Frankfurter City immer höher bauen (mussten) – ziemlich genau, seitdem die Finanzglobalisierung losging. 1 Und dass die Herren in den Vorstandsetagen dabei gern wetteiferten, wer am höchsten sitzt. Wie früher beim Quartettspiel mit den Jungs. Wobei die stolzesten vor ein paar Jahren noch die Herren der Commerzbank waren, weil sie den längsten (Turm) Europas hatten. Das ist die Bank, an der wir umständehalber jetzt alle mitbeteiligt sind. Man könnte auch sagen: Der Laden musste in Not mit Steuergeldern verstaatlicht werden, was es zuletzt beim Erich gab. Hochbau kommt vor dem Fall, sozusagen.
    Wir haben gestaunt, wo die das Geld her haben, wenn im Besuchertrakt des Towers an der Taunusanlage mal wieder ein Starkünstler aus New York schwingende sanfte Farben und säuselnde Ambient-Klängen vorbeibrachte. Soll keiner sagen, die Bank sei nur schnöde auf Geld aus.
    Wir sind damit groß geworden, dass wir zwar Schwierigkeiten hatten, zu verstehen, was die da machen, wenn sie mit komplizierten mathematischen Formeln Geldgebäude konstruieren und in Sekunden Geld gewinnen. Aber es schien ja nicht direkt zu stören. Und es war halt so, dass Endzwanziger dafür im Monat mehr Gehalt aufs Konto bekamen als andere im Jahr.
    Wir sind auch damit aufgewachsen, dass wir den Atem anhalten, wenn »die« Märkte über ein Unternehmen, eine Branche oder,rums, über ganze Länder urteilen und den Daumen heben oder senken. Als im Juli 2011 der in Europa grassierende Krisenvirus auf Italien übersprang, wofür es keinen triftigen Anlass gab, den es nicht vorher schon gegeben hätte, erklärten uns Analysten binnen Stunden, warum das normal ist. Und die Kollegen vom Spiegel titelten voller Demut sofort mit einem Abgesang auf das Dolce Vita, als sei Italien plötzlich aus dem Mittelmeer aufgetaucht; als hätten Bankanalysten bis zwei Tage zuvor nicht etliche Gründe aufgezählt, warum Italien durch die Finanzkrise nicht gefährdet sei.
    Wir haben zeitweise artig zugehört, als unser Bankberater uns wie Mutter Teresa erklärt hat, dass die staatliche Rente nicht sicher sei – anders als die private, die wir uns nur (bei ihm) abholen müssen. Dass das große Glück winkt, wenn wir unser Geld am Kapitalmarkt für uns arbeiten lassen. Wunder. Da haben wir uns mit der T-Aktie am Südseestrand schon in Würde altern sehen. Wir haben uns von derselben Teresa Grafiken zeigen lassen, auf denen die
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher