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Pferde, Wind und Sonne

Pferde, Wind und Sonne

Titel: Pferde, Wind und Sonne
Autoren: Federica de Cescco
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aber gar nicht schwer aus«, erwiderte Karin.
    »Das hängt auch vom Pferd ab«, sagte Mireille. »Ich habe dir ja von >Glanzstern< erzählt, dem verrückten Hengst meiner Tante.«
    »Was ist aus ihm geworden?« fragte Karin.
    »Immer das gleiche! Der Witz ist nur, daß Alain jetzt auch spinnt! Er hat es sich in den Kopf gesetzt, >Glanzstern< zu reiten. Ist dir klar, was das heißt? Ein Pferd, das keinen Menschen an sich herankommen läßt! Als Alain zu Tante Justine sagte, er wolle >Glanzstern< zähmen, lachte sie laut auf. >Junge<, sagte sie, >wenn es dir gelingt, drei Minuten im Sattel zu bleiben, schenke ich dir das Pferd!< Das ließ sich Alain natürlich nicht zweimal sagen, und er sauste sofort hinaus, um sein Pferd zu satteln. Seither hat >Glanzstern< keine ruhigen Tage mehr«, schloß Mireille lachend.
    »Ich würde mich wundern, wenn ihm das Zureiten gelänge«, sagte Frau Colomb. »Alain ist viel zu ungestüm, zu ungeduldig. Bei Pferden kommt man mit sanfter Energie besser ans Ziel. Alain sollte nicht vergessen, daß >Glanzstern< einen schweren Schock erlitten hat. Ich glaube kaum, daß sich das jemals wieder einrenken läßt.«
    Karin hatte ihre Müdigkeit vergessen und hörte voller Spannung zu.
    »Ich habe immer davon geträumt, die Camargue kennenzulernen!« warf sie glücklich ein.
    Finette wiegte den Kopf. »Die Camargue gehört zu den letzten Paradiesen auf Erden«, sagte sie mit ihrer spröden, aber guten Stimme. »Jedoch wie alle Paradiese ist auch sie zum Untergang verurteilt.«
    Karin starrte sie betreten an. »Zum Untergang verurteilt?
    Wieso?«
    Finette stieß einen leisen Seufzer aus: »Der Mensch verdient das Paradies nicht. Er kann es nur verderben und verwüsten.« Mireilles Stimme unterbrach das Schweigen. »Laß dich nicht beeindrucken, Karin! Wir sind’s gewöhnt: Nach dem Essen verfällt Finette mit Vorliebe in düsteres Grübeln.«
    »Stimmt!« erwiderte die Großmutter gleichmütig. Ein spöttischer Funke tanzte in ihren braunen Augen. »Sag, ißt du gerne frische Gipfel zum Frühstück?« fragte sie Karin.
    »Du lieber Himmel! Finette, reden Sie bitte jetzt nicht vom Essen! Mir ist, als könnte ich ein ganzes Jahr lang nicht mehr essen!«
    Nachdem die beiden Mädchen den Tisch abgeräumt und in der Küche, die wie ein Schlachtfeld aussah, Ordnung geschafft und abgewaschen hatten, gingen sie zu Bett. Sie schliefen jedoch nicht gleich, sondern flüsterten und kicherten noch eine Zeitlang miteinander. Mitternacht war längst vorüber, als Karin erschöpft einschlief.
     

Drittes Kapitel
     
     
     
    Karin rieb sich die Nase. Ein Sonnenstrahl hatte sie wachgekitzelt. Sie schlug die Augen auf, betrachtete verwirrt die Gipsdecke und erfaßte erst nach einer Weile, wo sie sich befand.
    »Wird auch Zeit, daß du aufwachst«, hörte sie Mireilles Stimme. »Ich wollte dich schon aus dem Bett werfen.«
    Mireille stand am Spiegel und bürstete sich energisch die Haare. Die Vögel sangen laut, überlaut, fand Karin. Unten wurde die Straße abgespritzt. Der Geruch des feuchten Asphalts drang ins Zimmer.
    Die frischen Gipfel, von einer Papierserviette bedeckt, glänzten von Butter. Karin lief das Wasser im Munde zusammen. Sie seufzte. »Sag, kannst du mir Jeans leihen, Mireille?«
    »Wozu?«
    »Meine sind eine Nummer zu klein. Wenn ich mich so weiter mit Genuß vollstopfe, platzen sie aus allen Nähten!«
    Finette kam atemlos herein, um die großen Frühstückstassen mit Milchkaffee zu füllen. Sie trug eine weiße Schürze und duftete leicht nach Veilchen.
    Kurz darauf erschien Frau Colomb. Karin bewunderte ihren schwarzen Hosenrock und die elfenbeinfarbene Bluse, die gut zu ihrer gebräunten Haut paßte. Sie fand, daß sich Frau Colomb besser anzuziehen verstand als ihre Mutter mit ihrer ewigen Vorliebe für Rosa und Himmelblau.
    Frau Colomb trank ihren schwarzen Kaffee im Stehen. »Frühstückt nur in aller Ruhe«, sagte sie zu den Mädchen. »Am Morgen soll man sich Zeit lassen. Ich erwarte euch bei der Garage.«
    »Du solltest auch einen Gipfel essen«, sagte Finette streng zu ihr, gerade in dem Augenblick, als Karin die Hand ausstreckte, um sich den letzten zu nehmen. Alle brachen in Lachen aus, als Karin rot vor Verlegenheit die Hand schnell zurückzog.
    Einige Minuten später ergriff Mireille den Reisesack, in den sie ihre Sachen hineingestopft hatte, und ging Karin, die ihren Rucksack schleppte, die Treppe hinunter voraus.
    Finette kam vorsichtig nach. Sie gab Mireille einen Kuß,
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