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Pferde, Wind und Sonne

Pferde, Wind und Sonne

Titel: Pferde, Wind und Sonne
Autoren: Federica de Cescco
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drückte verschmitzte Güte aus. »Du bist ein unmögliches Kind, Mireille. Da läßt du deine Freundin mit dem schweren Rucksack stehen! Komm, laß dir helfen.« Mit unerwarteter Kraft half sie Karin, den Rucksack abzunehmen.
    »Vielen Dank, Madame«, sagte Karin unsicher.
    »Ich heiße Finette«, wurde sie von der Großmutter belehrt. »Und ich rate dir, sie ja nicht >Großmutter< zu nennen«, fiel Mireille ein. »Da gerät sie in großen Zorn.«
    »Jeder hat so seine Eigenarten, und ich habe meine«, sagte die Großmutter, packte Karins Rucksack mit einem einzigen Ruck am Riemen und stellte ihn an die Wand. »Anstatt dummes Zeug zu reden, solltest du deiner Freundin lieber das Badezimmer zeigen. Sie muß sicher Pipi machen und sich das Gesicht waschen.«
    »Komm mit!« rief Mireille lachend und zog Karin hinter sich her. »Erschrick nicht, es kollert in den Röhren, und das ganze Haus dröhnt, wenn du die Kette ziehst.«
    Als Karin ins Wohnzimmer zurückkehrte, standen auf dem Tisch zwei winzige Tassen mit schwarzem Kaffee, eine Zuckerdose und ein Teller mit überzuckertem Mandelgebäck. »Versuch es mal«, forderte Mireille sie auf.
    Karin nahm davon. Das Gebäck schmolz auf der Zunge. Finette lächelte sie an und verschwand aus dem Zimmer.
    »Hat deine Großmutter das gebacken?« fragte Karin verblüfft. »Was glaubst du denn? Daß sie es beim Konditor kauft?«
    Sie tranken den Kaffee und leerten den Teller mit dem Mandelgebäck. Dann zeigte Mireille Karin ihr Zimmer. Es war viel höher und geräumiger als ihr Zimmer zu Hause, ging aber auf eine Geschäftsstraße hinaus, von der lautes Geräusch, Stimmen und Schritte heraufdrangen. Mireille beugte sich hinaus und schloß die Fensterläden.
    »Tagsüber ist es hier so laut, daß ich im Wohnzimmer arbeiten muß«, sagte sie. »Aber nachts ist es still wie in einem Kloster.« Ein Spiegelschrank aus schwerem Eichenholz stand neben einem ungewöhnlich schmalen altertümlichen Bett.
    »Das war Finettes Bett, als sie noch jung war«, sagte Mireille. »Ich bekam es von ihr zu meinem zehnten Geburtstag geschenkt. Du schläfst heute nacht hier.« Sie klopfte auf einen Diwan, den Finette - oder jemand anders - mit frischen, nach Lavendel duftenden Leintüchern bezogen hatte. »Deinen Rucksack brauchst du gar nicht auszupacken. Mutter bringt uns morgen zum >Mas<.«
    »So etwas, fast hätte ich’s vergessen!« Karin schlug sich an die Stirn. »Ich hab’ versprochen, zu Hause anzurufen, um zu sagen, daß ich gut angekommen bin.«
    »Das machen wir unten im Laden«, antwortete Mireille. »Mutter wird die Verbindung für dich verlangen.«
    Erst nachdem diese letzte Pflicht erledigt war, fühlte sich Karin wirklich in den Ferien!
    Die Zeit bis zum Abend verging wie im Fluge: Die beiden hatten sich so viel zu erzählen, daß sie gar nicht merkten, wie spät es inzwischen geworden war.
    »Habt ihr denn gar keinen Hunger?« fragte Frau Colomb erstaunt, als sie nach Ladenschluß heraufkam. »Es wird langsam Zeit fürs Abendessen. Wie ich Finette kenne, wird sie sich heute abend mit dem Kochen übertroffen haben!« Sie deckte flink den Tisch. Teller und Besteck kamen auf eine gestickte Tischdecke. Als alles bereit war, tauchte Finette mit rotem Kopf und zufriedener Miene aus der Küche auf; sie trug mit beiden Händen eine riesige Suppenschüssel herein.
    »Nach so einer langen Reise muß man sich stärken«, sagte sie und füllte energisch Karins Teller, die bei dieser Portion an ihre zu engen Jeans denken mußte. Der herrlich duftenden Fischsuppe folgte ein üppiger Ei-Käse-Salat mit Nüssen, dann geschmorte Fische und ein Brathähnchen mit Oliven und verschiedene Gemüse. Nachdem Karin zum Schluß noch eine köstliche Schokoladencreme mit Schlagsahne zu sich genommen hatte, war ihr zumute, als könnte sie nicht einmal den kleinen Finger mehr bewegen. Ihr Magen schien prall gefüllt, und sie mußte heimlich zwei Knöpfe ihrer Hose öffnen.
    Frau Colomb wollte am nächsten Morgen frühzeitig aufbrechen. »Ich muß auf der Rückfahrt einen Umweg über Nîmes machen, um mit einem Töpfer zu sprechen, und ich möchte vor dem Mittagessen zurück sein.« Sie wandte sich an Karin, die ein Gähnen zu unterdrücken versuchte: »Kaffee?«
    Verlegen schüttelte Karin den Kopf, und Finette sagte streng: »Die Kleine fällt ja vor Müdigkeit um. Sie muß jetzt ins Bett, wenn sie morgen schon wieder reisen will. Auch das Reiten ist anstrengend, wenn man es nicht gewöhnt ist.«
    »Es sieht
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