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Pferde, Wind und Sonne

Pferde, Wind und Sonne

Titel: Pferde, Wind und Sonne
Autoren: Federica de Cescco
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Dutzend Jeans an, bis sie die richtigen fand: dunkelblaue, enge Denims mit einem Knopfverschluß. Dann entdeckte sie im Ausverkauf ein Paar tolle Westernstiefel mit flachen Absätzen. Nur die Geschenke bereiteten Kopfzerbrechen! Schließlich kaufte sie für Mireille einen Silberring, der mit einem Vögelchen verziert war, und für Alain einen Schlüsselanhänger.
    Pünktlich fand sie sich im Versicherungsbüro ein. Mama gefielen die Stiefel, aber sie rümpfte die Nase, als Karin ihre Jeans zeigte. »Bist du sicher, daß das deine Größe ist? Man könnte meinen, du hättest sie in der Kinderabteilung gekauft!«
    »Beim Zuknöpfen muß ich den Bauch ein bißchen einziehen«, gab Karin zu. »Aber glaub mir, alle Jeans dehnen sich beim Tragen aus.«
    Mama sah nicht gerade überzeugt aus. Sie schien jedoch in nachsichtiger Stimmung zu sein. Nachdem sie die Fahrkarte besorgt und für Karin etwas französisches Geld eingewechselt hatte, schlug sie Karin vor, eine Pizza zu essen. Für Karin war das ein richtiger Festtag!
    Danach ging Mama ins Büro zurück, und Karin begab sich nach Hause, um ihre Sachen zu packen. Sie breitete auf dem Boden Wäsche und Socken aus. Der blaue Bikini vom vorigen Jahr war ein bißchen ausgeschossen, aber in der hellen Sonne würde man das kaum merken. Am Abend brauchte sie eine volle Stunde, um den Rucksack sorgfältig zu packen. Mama kam alle paar Minuten herein und bestand darauf, daß sie früh schlafen gehe. Der Zug nach Avignon fuhr schon um sechs Uhr fünfzig. Aber Karin fand keinen Schlaf. Sie wälzte sich im Bett herum, hörte eine Uhr Mitternacht schlagen, dann ein Uhr. Als die Müdigkeit sie trotz der Aufregung übermannte, schlief sie so tief, daß der Wecker vergeblich rasselte. Ihr Vater mußte an die Tür donnern, um sie aus dem Schlaf zu reißen.
    »Aufstehen, Karin! Sonst fährt noch der Zug ohne dich ab!« Das wäre eine Katastrophe! Karin sprang aus dem Bett und zog sich in aller Eile an. Der Kopf wirbelte ihr. Hatte sie auch nichts vergessen? Das Frühstück stand schon auf dem Tisch, aber die Erregung schnürte ihr den Magen zu. Nur um kein Gerede aufkommen zu lassen, trank sie eine Tasse Milchkaffee und knabberte an einem Stück Brot herum. Mama machte ihr zwei große belegte Brote, eins mit Wurst, das andere mit Käse. Auch einen Apfel und eine Orange tat sie in die Papiertüte. Papa wartete schon mit dem Autoschlüssel in der Hand, um Karin zum Bahnhof zu bringen. Mama drückte ihr liebevoll einen Kuß auf die Wange.
    »Also: Alles Gute und grüße Mireille von uns. Wenn du angekommen bist, rufe uns an. Und schicke uns ab und zu eine Postkarte.«
    »Ich schreib’ euch bestimmt, Mama!«
    Unter dem Gewicht ihres Rucksacks keuchend, stolperte sie die Treppe hinunter. Papa hatte bereits den Wagen aus der Garage geholt. Karin schnallte mit nervösen Fingern die Gurte an. »Schnell!«
    Papa ließ sich durch nichts aus der Ruhe bringen.
    »Nur keine Aufregung! Wir haben Zeit.«
    Zu dieser frühen Morgenstunde herrschte wenig Verkehr, und so kamen sie rasch zum Bahnhof. Es dauerte sogar noch zehn Minuten, bis der Zug auf dem Bahnsteig einfuhr. Papa sicherte ihr einen Fensterplatz in einem Nichtraucherabteil.
    »Steig aus!« rief Karin immer nervöser. »Gleich fährt der Zug ab!«
    »Darauf warte ich ja«, antwortete Papa gelassen. »Ich habe mir schon immer Ferien in der Camargue gewünscht...« Er zerzauste ihr liebevoll die Haare und stieg aus. Karin beugte sich aus dem offenen Fenster des Abteils. »Fall nicht vom Pferd!« rief Papa ihr zu, als sich der Zug langsam in Bewegung setzte.
    Karin winkte ihrem Vater noch lange zu, genau wie Mireille ihr vor einem Jahr zugewinkt hatte. Der Zug fuhr an, immer schneller und schneller, der Bahnsteig entfernte sich, und die Gestalt des Vaters verschwand hinter den Betonpfeilern. Karin machte das Fenster zu, strich sich die zerzausten Haare aus dem Gesicht und setzte sich mit einem tiefen Seufzer der Zufriedenheit. Endlich war es soweit! Die Camargue, die Sonne, der Wind und das große Abenteuer erwarteten sie, so malte sie es sich aus.
     

Zweites Kapitel
     
     
     
    Karin hatte für die lange Reise ein Buch mitgenommen; aber sie kam nicht zum Lesen. Fortwährend gab es draußen etwas zu sehen: Landschaft, Ortschaften, aber auch Menschen. Bis Bern fuhr Karin mit einer Frau, die sich in Kreuzworträtsel vertiefte, und mit zwei bärtigen Holländern, die schmutzige Jeans trugen und schwerbeladene Rucksäcke schleppten. In Bern stieg
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