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Pferde, Wind und Sonne

Pferde, Wind und Sonne

Titel: Pferde, Wind und Sonne
Autoren: Federica de Cescco
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Kapitel
     
     
     
    Karin und Mireille saßen allein am Tisch und tranken schweigend Orangensaft. Regine ging in der Küche ihrer Beschäftigung nach. Man hörte sie mit Töpfen hantieren. Starker Geruch nach Zwiebeln und Gewürzen verbreitete sich im Haus. Es war bald Mittag. Karin leerte ihr zweites Glas in einem Zug und streckte wieder die Hand nach der Flasche aus. Durst quälte sie. Sie hatte geduscht, ihre Schrammen mit Heftpflastern beklebt und sich saubere Sachen angezogen. Ihre Haut brannte wie Feuer. »Man könnte glauben, du hättest dich mit einer Horde Wildkatzen herumgebalgt«, hatte Mireille bemerkt, als sie gemeinsam auf >Irrlicht< heimritten.
    Niedergeschlagen dachte sie an Alain, an ihren Versöhnungsversuch und an sein feindseliges Schweigen.
    »Es hat keinen Zweck, mit ihm zu reden«, hatte Mireille gesagt. »Laß ihm Zeit!«
    Karin saß voller Gewissensbisse da. »Verstehst du nicht, ich war nicht ehrlich, auch er hatte >Glanzstern< gern!«
    Mireille war nicht zu erschüttern. »Das meinst du! Ich hatte eher den Eindruck, er wollte Hackfleisch aus ihm machen.«
    Karin grinste schwach. Noch eine andere Frage quälte sie: Wie würde Tante Justines Entschluß ausfallen? Sie hatte Manuel den Landrover überlassen und war mit Constantin und Nicolas fortgeritten, ohne zu sagen, wohin. Karin und die anderen sollten im »Mas« auf sie warten. Schon fast zwei Stunden war sie fort. Wieder einmal ertappte sich Karin, wie sie an den Nägeln kaute, und versteckte schuldbewußt die Hände unter dem Tisch.
    »Wo kann sie nur sein?« seufzte sie.
    »Wie soll ich das wissen?« gab Mireille zurück.
    »Glaubst du, daß es >Glanzstern< betrifft?«
    »Das kannst du dir doch denken.«
    Karin verspürte einen Kloß im Magen. »Vielleicht erschießt sie ihn jetzt!«
    »Wenn sie das wollte, hätte sie schon längst Gelegenheit dazu gehabt«, erwiderte Mireille ungeduldig. »Karin, beruhige dich endlich! Sie hat dir doch gesagt, daß sie eine Entscheidung treffen will.«
    »Klar, aber was für eine?«
    »Frag Thyna! Ich bin keine Hellseherin!«
    Die Tür ging auf. Alain, der >Trotzkopfs< Verband gewechselt hatte, kam herein, ohne die beiden eines Blickes zu würdigen. Er trocknete sich die nassen Hände an seinen Jeans ab und pfiff scheinbar unbekümmert vor sich hin.
    »Alain...«, begann Karin zögernd.
    Sie horchte auf; Hufe schlugen auf den Kies. Mireille stürzte zum Fenster und spähte durch die Läden.
    »Tante Justine ist zurück.«
    Karin blieb sitzen und zerknüllte ihr Taschentuch. Das Herz klopfte ihr bis zum Hals hinauf. Einen Augenblick später trat die Züchterin ein, nahm ihren Hut und warf ihn auf den nächsten Sessel.
    »Heiß, da draußen!« brummte sie. »Ich muß etwas trinken. Nein, keinen Orangensaft. Lieber einen Whisky, aber gut gemessen!«
    Mireille ging in die Küche, um Eiswürfel zu holen. Als sie zurückkehrte, folgte ihr Regine mit neugieriger Miene. Stumm warteten alle, während sich Tante Justine in aller Ruhe das Getränk zubereitete. Sie nahm einen Schluck. Dann ließ sie sich in einen Sessel fallen und sah Karin an.
    »Deine Geschichte stimmt also«, sagte sie. »Wir haben Thyna aufgesucht und mit ihr gesprochen. Man kann über ihre philosophischen Betrachtungen geteilter Meinung sein, aber es ist nicht zu leugnen, daß sich >Glanzstern< von ihr zähmen ließ. Wobei es wohl immer ein Rätsel bleiben wird, ob ihn die Alte tatsächlich behext hat oder ob es deinem arglosen Zutrauen zu danken ist, daß der Hengst seine Abneigung gegen die Menschen überwinden konnte.«
    Sie nahm wieder einen Schluck Whisky. Nur das Ticken der Standuhr war zu vernehmen. Tante Justine sprach nach kurzem Schweigen weiter: »Ich habe in meinem Leben viele merkwürdige Dinge gesehen, aber das ist das Seltsamste, was ich je erlebt habe. So nimm ihn denn!« schloß sie unvermittelt, zu Karin gewandt, die sie fassungslos anstarrte.
    »Aber... der Hengst sollte doch Alain gehören...«, stotterte sie. Wieder Stille. Tante Justine schwenkte die Eisstückchen in ihrem Glas. Regine begann lautlos den Tisch zu decken.
    Tante Justine fuhr fort: »Ich habe einmal gesagt, >Glanzstern< gehöre dem, der ihn zu reiten vermag. Du, Alain, hast deine Chance gehabt, aber du hast sie schlecht genutzt, mein Junge.« Ihr Blick richtete sich wieder auf Karin. »Ich werde mein Versprechen halten: Von heute an gehört der Hengst dir! Du kannst natürlich dieses Pferd nicht mitnehmen. Aber es soll hier zu deiner Verfügung sein, und
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