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Pferde, Wind und Sonne

Pferde, Wind und Sonne

Titel: Pferde, Wind und Sonne
Autoren: Federica de Cescco
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versteckte die Hand hinter seinem Rücken. Zu spät! Mireille hatte die Streichhölzer gesehen. »Der Wind kommt gerade aus der günstigen Richtung, und der Rauch wird das Pferd an den See treiben...«
    »Du bist übergeschnappt!«
    Schritt um Schritt wich Alain vor ihrer Stute zurück, welche Mireille auf ihn zu lenkte.
    »Es gibt keinen andern Ausweg! Hau ab, sag’ ich dir!«
    Sie sprang auf den Boden und warf sich auf ihren Bruder. Beide stürzten ins Schilf. Mireilles Finger griffen nach Alains Hand, welche die Streichhölzer hielt. Mit einem Ruck machte er sich frei. Sie ließ sich mit ihrem ganzen Gewicht auf ihn fallen, um ihn zu Boden zu drücken. Sie schlugen sich; jeder versuchte, die Oberhand zu gewinnen. Endlich gelang es Alain, seine Schwester abzuschütteln. Verbissen bemühte er sich, ein Streichholz anzuzünden. Mireille erwischte ihn am Hemd, versetzte ihm einen Schlag ins Gesicht. Alain taumelte zurück. Das brennende Streichholz entglitt seinen Fingern und fiel ins dürre Gras. Eine dünne Rauchfahne stieg auf, dann eine Flamme. Mireille warf sich bäuchlings darüber, um sie zu ersticken. Alain umklammerte ihre Fußgelenke und zog sie zurück. Mireille strampelte, drehte sich hin und her und schlug wild um sich.
    »Karin!« brüllte sie, »lösch das Feuer!«
    Karin blickte in die aufsteigende Flamme. Das Schilf knisterte. Ein bläulicher Dunst erhob sich. Mireille und Alain, zerzaust, zerkratzt und außer Atem, standen stumm da. Obgleich trockenes Schilf eigentlich wie Zunder brennt, verhinderte der vom Regen noch feuchte Boden ein schnelles Ausbreiten des Feuers. Statt dessen entwickelte sich ein scharfer Rauch, der hochstieg. Schon waren die Tiere aufgeschreckt. Ein Starenschwarm flatterte aus dem Schilf empor. Ein kleines Nagetier lief aufgeregt zwischen den Erdklumpen umher.
    »Die Pferde!« sagte Mireille tonlos. Sie versuchte, die zurückweichenden Stuten zu beruhigen.
    Karin starrte noch immer wie gebannt in die knisternden Flammen, die aus dem Schilf schlugen. Rauch wallte in dicken Schwaden durch das Gebüsch, wo sich der Hengst verborgen hielt. »Gleich wird er den See durchschwimmen«, sagte Alain mit zufriedenem Grinsen. »Tante Justine hat ihre Zielscheibe verloren!« Aus der Ferne schallten aufgeregte Rufe der Gardians. Mireille quälte sich mit den Stuten ab, die in panischer Angst ausschlugen und zur Seite sprangen.
    Alain ergriff Karins Arm. »Komm!«
    Karin trat einen Schritt zurück. Ihr Gesicht glühte in der Hitze. Plötzlich ließ sich im Gebüsch ein langgezogenes, heiseres Wiehern hören. Mit heftiger Bewegung riß sich Karin los. Blitzschnell erfaßte sie die Lage: Vom Rauch verängstigt, durch das Feuer geblendet, suchte >Glanzstern< einen Ausweg aus dem Dickicht, das ihn gefangen hielt.
    »Los, weg von hier«, drängte Alain. »Er wird schon von allein herauskommen.«
    Karin rührte sich nicht. Da... wieder ein rauhes, schnaufendes Wiehern. »Mein Gott«, dachte sie, »er wird ersticken oder lebendigen Leibes verbrennen!« Ihre Augen versuchten das Dickicht zu durchdringen. Kleine Flammen züngelten im Unterholz; beißender Rauch dehnte sich immer weiter aus. Plötzlich löste sich Karin aus ihrer Erstarrung. Entsetzt sah Alain, wie sie in Richtung des Feuers stürzte. Im Nu brach sie ins Dickicht ein und war verschwunden.
    Gebückt kroch sie durchs Unterholz. Der Boden war weich und glitschig. Sie rutschte aus, schlug der Länge nach hin und raffte sich wieder auf. Vor ihr quoll, langsam wirbelnd, eine weiße Rauchwolke auf. Ohne zu zögern, stürzte sie sich hinein und drückte instinktiv einen Zipfel ihres T-Shirts vor Mund und Nase. Schon war sie hindurch. Ihre Augen tränten, ein heftiger Hustenanfall schüttelte sie. Keuchend, zerzaust hastete sie weiter.
    »>Glanzstern<, wo steckst du nur?«
    Die Rauchwolke holte sie ein... Sie hielt den Atem an, taumelte gegen Äste, verfing sich im Gestrüpp, blieb mit dem Fuß im Morast stecken.
    »>Glanzstern<, ich bin’s! >Glanzstern!<«
    Da... Zweige knackten ganz in der Nähe. Schweiß- und schlammbedeckt, mit schäumendem Maul und rollenden Augen tauchte der Hengst in den Rauchschwaden vor ihr auf. Er hatte sie erkannt, erwartete von ihr Hilfe und Rettung. Karin hatte kein Seil, ihn zu leiten, doch was machte das schon! Sie stürzte auf ihn zu. Ihre Hand umklammerte die dichte Mähne.
    Mit einem einzigen Sprung saß sie auf seinem Rücken und trieb ihn mit Knien und Fersen voran.
    »Los! Komm!«
    Einen Augenblick
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