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Pennäler contra Pauker

Pennäler contra Pauker

Titel: Pennäler contra Pauker
Autoren: Jaroslav Zak
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werde dafür Sorge tragen, daß dieser Kaffer das Studium an den Nagel hängt, flüstert verzweifelt mit verunstaltetem Mund vor. Und hinterm Rücken des Herrn Vorsitzenden bemüht sich der nicht minder grausame Herr Direktor durch Gebärden, Gelenkverzerrungen, Ballettschritte und eine Art Negertanz dem Prüfling anzudeuten, daß Cäsar, als er den abgehauenen Kopf des Pompeius erblickte, bitterlich geweint habe.
    Der rettende Augenblick tritt ein, wenn den Herrn Vorsitzenden, dem nach vier Stunden Zuhören die Weisheiten der reifenden Männer zum Hals heraushängen, das Gähnen und schließlich ein sanfter Schlummer überkommt. Da beginnt der Herr Kandidat unter dem stillen Einverständnis des Gelehrtenkollegiums das tollste Zeug zu quatschen, und zwar so lange, als der Herr Vorsitzende nicht erwacht und die befreiende Formel spricht: «Das würde genügen.»
    Während der Prüfung, in der sich der wichtige Prozeß des Reifens nach neunjährigem Sprießen vollendet, sitzen im Hintergrund des Prüfungsraumes jene Männer und Frauen, die dank den Anfangsbuchstaben ihres Namens bereits etwas früher für reif erklärt wurden, lauschen wohlwollend lächelnd den Antworten derer, die erst im Reifen sind, und trösten die unreifen Unglücksraben, die auf die letzte Runde warten müssen.
    Die freundlichen Lehrer treten an den gerade herangereiften jungen Mann heran und sagen in väterlichem Ton zu ihm: «Na, ich gratuliere, Herr Schulze.» Herr Schulze nimmt die Glückwünsche mit selbstverständlicher Nachlässigkeit entgegen, als legte er heute und täglich die Reifeprüfung ab, im Geiste aber wettert er in gerechtem Zorn gegen sich selbst, denn es wurmt ihn jener ausgestopfte Hamster, den er für ein Raubtier gehalten hat.

    ...die Zinsen von dem Kapital drei Millionen sechshundertundsoweitertausend - diktierte der Mathematiklehrer, zur Prüfung der Reife.
    Wieder ein schlagender Beweis dafür, daß man in der Schule fürs Leben lernt. Der Schüler wird sich später, wenn er seine Millionen zur Bank gibt, nie übers Ohr hauen lassen: Er kann ja nachrechnen am Zinstermin.

    Die richtige Fröhlichkeit stellt sich erst an dem Abschiedsabend ein, zu dem auch die Herren Professoren geladen sind. Sie entpuppen sich als recht angenehme und gesellige Herren, gegebenenfalls Damen, die, wenn die Unterhaltung einmal im Gange ist, den Klassenkomiker bestürmen, er möge ihre Karikaturen vorführen. Mit Behagen lauschen sie dann ihren eigenen Kathederblüten, die aus der Schulzeitung vorgelesen werden.
    Der rauhe Lateinprofessor bringt sein gefürchtetes Notizbuch mit und läßt bereitwillig in dessen Geheimnisse Einsicht nehmen. Man kann die einstigen Feinde auch anprosten und bei den Klängen einer flotten Polka mit ihnen tanzen. Die jüngeren Damen und Herren des Kollegiums bleiben bis nach Mitternacht, wo sich die Tänze in exzentrische Vorführungen verwandeln, bis auch die letzten Mohikaner verschwinden und der Troß der reifgewordenen Männer sich auszutoben beginnt. Es wird ein Bummel durch die verschiedenen Nachtlokale veranstaltet, wobei jeder vortäuscht, sternhagelvoll zu sein, obwohl er in Wirklichkeit nur zwei Biere getrunken hat. Weiter weiden in den Straßen Ausschreitungen unter der Begleitung mannhafter Lieder begangen: Der auf schwankenden Beinen sich bewegende Streber brüllt mutig, daß ihm der Klassenpauker den Buckel runterrutschen könne, ein anderer unschuldiger Knabe rüttelt an einem Lichtmast und johlt: «Jungs, heut ist der erste Mai, kommt Maikäfer schütteln!» Und der klassenbekannte Streber schlägt vor, ein Leitergerüst in eine andere Straße zu schleifen, damit die Maurer morgens ein fremdes Haus weißen. Als die Ruhestörer einen Hüter der Ordnung erblicken, stellen sie sich am Rand des Gehsteiges auf und marschieren im Gänsemarsch, wobei sie dem Schutzmann zurufen: «Guck doch, Polyp, wie gerade wir noch gehen! »

    Der Arm der Gerechtigkeit ist nahe daran, einzuschreiten, als er aber erfährt, daß es sich um Abiturienten handle, wendet er sich rücksichtsvoll ab und betrachtet den Sternenhimmel.
    So ein Abiturientenbummel ist gleichsam das letzte starke Aufflackern wie bei einer Sternschnuppe. Überhaupt, der junge Mann, der die Reifeprüfung hinter sich gebracht hat, hört auf, Pennäler im eigentlichen Sinne des Wortes zu sein. Denn das Hochschulstudium ist nur ein matter Abglanz des jungenhaften wackeren Geistes, der an der höheren Schule herrscht.
    Somit haben wir den rechten
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