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Pennäler contra Pauker

Pennäler contra Pauker

Titel: Pennäler contra Pauker
Autoren: Jaroslav Zak
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Haltung an der Tafel einnimmt. Der Herr Direktor, der eine riesige Gartenschere in der Hand hält, wühlt eine Weile in den Taschen, wobei er leise brummt: «Zum Teufel, wo hab ich's nur hingesteckt!» Bis er schließlich den versiegelten Umschlag findet, den er aufschneidet und feierlich dem Herrn Professor überreicht. Der entnimmt dem Umschlag mit gespannter Miene die Prüfungsthemen, schreibt sie an die Tafel, und die erste Runde des großen Wettkampfes hat begonnen. Der Herr Direktor, der sich so des Ehrenstoßes entledigt hat, geht und überläßt alles seinem Schicksal.
    Am verhältmäßig einfachsten sind die Arbeiten in Deutsch. Das beliebteste Thema ist die sogenannte Betrachtung. Das Opfer ist ein berühmter Dichter, über dessen Verse man fünf Stunden lang schriftliche Erwägungen anzustellen hat, und zwar so, daß am Ende mehrere Doppelbögen vollgeschrieben sind. Die Themen der Betrachtungen sind durchweg imposant. Etwa: «Wir rütteln am Gitter, wir Löwen des Geistes, und werden es durchbrechen». Oder: «Es schwinden, es fallen / Die leidenden Menschen / Blindlings von einer / Stunde zur andern / Wie Wasser von Klippe / Zu Klippe geworfen, / Jahrlang ins Ungewisse hinab.» Der Löwe des Geistes, der eine solche Betrachtung wählt, sudelt hin, was ihm gerade einfällt, worauf er sich nach fünf Stunden wie neugeboren erhebt und zum Mittagessen geht. Während die jungen Löwen das Papier beschreiben, läuft der alte Tiger zwischen ihnen auf und ab und kann nicht widerstehen, ihnen die Rechtschreibfehler zu verbessern.

    Noch fesselnder sind die philologischen Arbeiten, sei es nun in Englisch, Französisch oder Latein. Scheinbar bietet die Klasse dabei das Bild wie bei einer gewöhnlichen Klassenarbeit. Die Schüler stoppeln, über das Papier gebeugt, die Übersetzung zusammen, während ein für diese Aufgabe bestimmter Lehrer über den ordnungsgemäßen Verlauf der Prüfung wacht. Doch ist die Sendung dieses Aufsichtsorgans grundverschieden von der Funktion eines Lehrers während der Klassenarbeit. Verließe der Lehrer im letzteren Falle die Klasse, würden die Schüler die Aufgabe glatt abschreiben und könnten somit die Zensur bekommen. Während der schriftlichen Reifeprüfung darf jedoch der Lehrer das Klassenzimmer nicht einen Augenblick verlassen, da die verratenen Prüflinge mit der Arbeit nicht fertig würden. Der Lehrer nimmt daher eine Startstellung ein, und so er irgendwo einen verzweifelten Blick aufleuchten sieht, eilt er dem Bedrängten zu Hilfe.
    Ein rührendes Drama spielte sich einmal an einer gewissen Anstalt während der schriftlichen Reifeprüfung in Französisch ab. Bekanntlich ist das Französische eine widerwärtige blumige Sprache, so daß sich die Franzosen selber darin nicht auskennen. Taucht nun ein entlegenes Thema auf, muß der Professor sorgfältig Vokabeln und Phraseologie vorbereiten. Der Französischlehrer schlägt dreierlei Arten von Themen vor: Eine freie Erzählung, zum Beispiel «Die Entwicklung der Schiffahrt in der Nachkriegszeit», die Wiedergabe einer Erzählung, die den Schülern deutsch vorgelesen wird, und schließlich eine Übersetzung aus dem Französischen ins Deutsche. Die zuständigen Schulräte wählen zwei davon aus, in der Regel die Übersetzung und eines von den anderen beiden und senden sie im versiegelten Umschlag zurück. Die heranreifenden Männer wählen dann durch die Bank die Übersetzung ins Deutsche, die man mit Hilfe des Wörterbuches noch so recht und schlecht zusammenkleistern kann.
    Der Herr Professor, der Held jenes kleinen Dramas, beantragte ein hübsches freies Thema und irgendeine Zeitungsgeschichte von einem Haifisch, deren Handlung in Australien spielte. In der Hoffnung, die Klasse werde das kleinere Übel, nämlich die Übersetzung ins Deutsche, wählen, hatte er sich auf die Haifischgeschichte überhaupt nicht vorbereitet. Ahnungslos zog er die Bogen aus dem Umschlag, und siehe! Die Übersetzung war verschwunden. Das freie Thema war kaufmännischer Art, weshalb sich die romantisch veranlagten Prüflinge für die australische Geschichte entschieden. Darin kamen wunderhübsche Fachausdrücke und Redensarten aus dem Seemannsleben vor, nach denen man im Wörterbuch allerdings vergebens fahndet. Wahrscheinlich hätte ein Absolvent der französischen Marineakademie diese schriftliche Reifeprüfung auch nur mit knappem bestanden.
    Unser Herr Professor konnte zwar leidlich gut Französisch, aber im Seewesen war
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