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1531 - Dschungeltod

1531 - Dschungeltod

Titel: 1531 - Dschungeltod
Autoren: Jason Dark
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Sie war allein. Eigentlich war sie immer allein. Ihre Eltern hatten sie verlassen.
    Sie wollten sie nicht mehr sehen. Sie hatten nur von hier weg gewollt und nichts mehr wissen wollen von dem Ort, in dem sie und ihre Tochter aufgewachsen waren.
    Auch die Verwandten hatten sich von ihr abgewandt. Nur nicht mit dieser Verfluchten und Aussätzigen in Verbindung gebracht werden. Das wäre fatal gewesen.
    Der letzte Schutz war dahin. Jetzt gab es nur noch die Fremden im Ort.
    Die Bewohner des Dorfes, die mit ihr nichts am Hut hatten. Sie waren mit ihr weder verwandt noch verschwägert. Sie brachten einer Aussätzigen wie ihr keine Gefühle entgegen. Wie auch? Man hasste sie. Sie war der Schandfleck, den man verstecken musste.
    Auch darunter litt Tabea. Sie wusste nicht, wie es mit ihr weitergehen sollte. Man hatte ihr gesägt, dass es zu einem Ende kommen würde, aber wie das aussah, wusste Tabea nicht.
    Es stand dicht bevor.
    Die Bewohner hatten sich bereits vor der Hütte versammelt. Wie viele es genau waren, wusste sie nicht. Aber mehr als drei, das entnahm sie dem Klang der Stimmen.
    Die Dunkelheit war längst hereingebrochen. Nur hatte es die Nacht nicht geschafft, die schwüle Hitze zu vertreiben. Sie lastete wie eine gewaltige Steinplatte über dem Ort und dem nahen Dschungel.
    »Sie kann nicht mehr unter uns bleiben!«, keifte eine Frauenstimme.
    »Sie steckt uns alle an. Die Geschwüre hat der Teufel hinterlassen. Er hat sie gezeichnet. Sie gehört nicht zu uns, verflucht noch mal! Wir müssen sie wegjagen. Selbst der Schamane hat es nicht geschafft, sie zu reinigen, und ein Priester brachte es auch nicht fertig. Wir sind verflucht. Erst wenn sie nicht mehr da ist, haben wir unsere Ruhe. Habt ihr das verstanden?«
    »Ja.«
    Die Frau keifte weiter. »Selbst ihre Eltern haben sie verlassen. Sie hat keine Verwandte, keine Freunde, und ich sehe nicht ein, dass wir uns um sie kümmern.«
    »Willst du sie töten?«, fragte jemand.
    »Bin ich eine Mörderin?«
    »Was dann?«
    »Das habe ich schon gesagt. Sie soll aus dem Dorf verschwinden. Wir werden sie fortjagen. Sie muss in den Dschungel. Ja, da soll sie sich allein durchschlagen. Vielleicht lauert dort der Teufel auf sie.«
    »Wer geht rein?«
    »Ich«
    »Rita?«
    »Ja, ich werde es tun. Ich werde ihr zeigen, wer sie ist. Ich werde sie rausholen.«
    Sekundenlang herrschte Schweigen, und auch Tabea Sanchez hielt den Atem an. Töten wollte man sie nicht, das war schon mal ein Vorteil. Aber man würde sie in den Dschungel jagen, und wenn sie von dort zurückkehren würde, war es mit ihr vorbei.
    »Na los, geh schon, Rita.«
    »Ja, ja…«
    Tabea schaute zur Tür. Das Flackerlicht der Fackeln tanzte hin und her.
    Der Widerschein drang durch die Ritzen und Spalten des Hauses. Er hinterließ huschende Muster auf dem Boden, als wären Geister dabei, sich in der Hütte zu verteilen.
    Eine kräftige Hand riss die Tür auf. Jetzt hatte der Lichtschein freie Bahn. Er huschte zuckend in die Behausung und traf Tabea Sanchez, die sich in ihrem Bett aufgerichtet hatte.
    Hinter der Tür drängten sich die Bewohner des Dorfes, die jetzt zu neugierigen Gaffern geworden waren. Es traute sich keiner so recht vor - bis auf eine Person.
    Die alte Rita.
    Sie war mal eine Schamanin gewesen, aber das lag lange zurück. Jetzt gehörte sie zu den weisen Frauen, bei denen man sich Rat holte. Der große Zauberer war jetzt ein anderer, aber für Rita gab es noch genügend andere Aufgaben.
    Sie betrat die Hütte. Mit beiden Händen hielt sie einen rechteckigen Gegenstand fest, von dem die im Bett sitzende Tabea nur die Rückseite sah. Die vordere blieb ihr verborgen, doch auf sie schaute Rita und sah sich selbst in der Spiegelfläche.
    »Hast du uns gehört, Tabea?«
    »Ja.«
    »Dann weißt du ja, dass du nicht mehr bleiben kannst. Wir wollen dich nicht. Du bist keine mehr von uns. Du bist besessen. Wir haben es nicht gewollt, du bestimmt auch nicht, aber wer so aussieht wie du, der kann nur besessen sein. In dich ist ein Dämon gefahren und hat dich gezeichnet. Nicht nur die Kinder haben Angst vor dir, wenn sie dich sehen. Wir alle wollen nicht, dass du noch länger hier im Dorf bleibst. Heute wirst du vertrieben. Aber ich werde dir zuvor zeigen, wie du aussiehst. Du sollst dich über dich selbst erschrecken.«
    Die alte Rita hatte die Sätze kaum ausgesprochen, da hob sie den Spiegel an und drehte ihn um, sodass Tabea hineinschauen musste, es sei denn, sie schloss die Augen.
    Das tat sie
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