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Paul ohne Jacob

Paul ohne Jacob

Titel: Paul ohne Jacob
Autoren: Paula Fox
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hatte er damit begonnen, bei den Grundmauern, die er entdeckt hatte, eine Lichtung anzulegen.
    »Heute ist eine Frau mit einem kranken Papagei gekommen. Der konnte sagen: ›Mummy! Das Telefon klingelt‹«, erzählte Daddy.
    Sie mussten beide lachen. Es war wieder wie früher, in der Zeit vor Jacobs Geburt, wenn Daddy mit lustigen Geschichten von den Tierpatienten heimkam, die er an diesem Tag behandelt hatte.
    Auf dem Küchentisch zu Hause standen Körbe mit Pfirsichen, die Mom an einem Obst- und Gemüsestand gekauft hatte, und ihr Duft drang durch alle Zimmer.
    Paul lief ins Obergeschoss. Als er an dem Fenster stehen blieb, durch das man Aussicht auf den Garten hatte, sah er Jacobs kleines Trampolin. Er zog die Jalousie herunter, bis sein Zimmer im Schatten lag.
    Mittlerweile war es Ende August. Die Blätter an den Bäumen hatten ihren grünen Glanz verloren und waren mit Sommerstaub überzogen. Die Rasenflächen vor den Häusern hatten die Farbe von Stroh angenommen und die Luft schmeckte verbraucht und abgestanden.
    Am ersten Samstag im September kam Grandpa zu einem Wochenendbesuch nach Brasston. Er brachte Lindy in seinem Katzenkorb mit.
    Vor seiner Ankunft legte Jacob ein großes Plätzchen, von dem er schon mehrmals abgebissen hatte, auf das kleine, wackelige Tischchen neben dem Gästebett in dem Zimmer im ersten Stock, wo Grandpa schlafen würde.
    Als Paul es dort entdeckte – offenbar ein »Geschenk« für Grandpa, wie er vermutete –, setzte er eine theatralische Miene der Fassungslosigkeit auf, obwohl er allein im Zimmer war. Später warf er das Plätzchen in der Küche in den Mülleimer, und zwar zu einem Zeitpunkt, als Jacob da war und es sehen konnte.
    »Nein!«, schrie Jacob und wies mit der ganzen Hand zum Mülleimer hin. »Mein Plätzchen für Grandpa!«
    »Ach!«, rief Paul voller Unschuld. »Ich hol’s dir wieder.« Und er langte in den Mülleimer und fischte das Plätzchen heraus. Inzwischen war es zerbrochen und es haftete Kaffeesatz daran, den Mom gerade eben weggeworfen hatte.
    Noch bevor jemand etwas sagen konnte, drückte er Jacob die Plätzchenstücke in die Hand und ging aus der Küche. Dabei grinste er verstohlen, das Gesicht von Moms forschendem Blick abgewandt.
    Auf der Treppe nahm er immer drei Stufen auf einmal. Am Treppenabsatz machte er Halt, und als er Moms murmelnde Stimme hörte, die beruhigend auf Jacob einsprach, bekam er plötzlich einen Anfall von schlechter Laune. »Geschieht ihm ganz recht«, brummte er vor sich hin.
    Als es Mittag wurde und Grandpa mit dem Mittagszug eintraf, hatte sich Pauls Stimmung wieder gebessert. Lindy, ein großer, stattlicher schwarzer Kater, pirschte um den Esstisch herum, an dem die Familie bei frischem Mais, großen Sommertomaten und walnussgroßen neuen Kartoffeln saß, die am selben Stand gekauft worden waren, von dem auch die Pfirsiche stammten. Ein Donnern war zu hören, der Himmel verfinsterte sich und es schüttete aus ihm herab.
    Grandpa lächelte alle in der Tischrunde an und sagte: »Es ist so gemütlich hier, richtig nett!«
    Jacob saß bei Mom auf dem Schoß, nagte verträumt an einem Pfirsich, veranstaltete eine Sauerei damit und murmelte dabei vor sich hin.
    »Als ich auf dem Weg vom Bahnhof hierher mit dem Taxi am Kino vorbeigekommen bin, ist mir aufgefallen, dass auf dem Vordach Unter neuer Leitung steht«, sagte Grandpa. »Und sie spielen einen italienischen Film, La Strada. Den hab ich vor Jahren schon mal gesehen. An diesem verregneten Nachmittag würde ich gern mit Paul ins Kino gehen und ihn anschauen.«
    »Für diesen Film ist Paul noch zu klein«, stellte Daddy fest.
    »W enn er auf Italienisch ist, weiß ich ja gar nicht, worum es geht«, sagte Paul.
    »Na, du kannst aber doch lesen«, sagte Grandpa. »Unten auf der Leinwand wird die englische Übersetzung stehen. Und überhaupt ist das kein Film, bei dem man immer genau wissen muss, was die Leute sagen.«
    »Ich will mit!«, jammerte Jacob und ließ den halb gegessenen Pfirsich auf Moms Bluse fallen.
    Grandpa stand auf und trat zu Jacob hin. Er musterte sein Gesicht und benahm sich dabei wie ein Affenvater, berührte schnatternd seine Haut, als wollte er das Fell glatt streichen, und dann kniff er ihm in die Nase.
    Jacob lachte. »Noch mal«, rief er. Grandpa machte es noch einmal und Jacob kippte kichernd hintenüber, in Moms Arme hinein.
    »Hinterher nehm ich dich auf einen Spaziergang mit«, sagte Grandpa zu Jacob. »Und ich habe auch eine ganz besondere
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