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Paul ohne Jacob

Paul ohne Jacob

Titel: Paul ohne Jacob
Autoren: Paula Fox
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Kinder einholen konnte? So viele Monate waren verstrichen und Paul hatte sich eingebildet, dass Daddy seine ersten samstäglichen Erkundungstouren in den Wald vergessen hatte. Das war im letzten Sommer und Frühherbst gewesen. Danach hatte er sorgfältige Vorkehrungen getroffen, um nicht gesehen zu werden, wenn er hierherkam und ein, zwei Stunden unter den Bäumen verbrachte.
    Hatte sein Vater in seiner Praxis einen Blick durchs Fenster geworfen und ihn gesehen, wenn er spätnachmittags über die Wiese lief oder mit dem Rad über den holprigen Boden fuhr?
    »Da bist du ja«, begrüßte sein Großvater ihn freundlich. »Ich hab mir schon gedacht, dass ich dich hier finden werde.«
    Paul fühlte sich zutiefst gedemütigt. Sie hatten jemanden geschickt, um ihn zurückzuholen. Dass dieser Jemand Grandpa war, machte die Sache nur noch schlimmer.
    Grandpa setzte sich auf einen Baum, der dem harten Winter zum Opfer gefallen war und umgestürzt auf dem Boden lag. Er sah Paul an, mit einem Gesicht, in dem sich Mitgefühl spiegelte, aber auch großer Ernst.
    »Sie haben dich geschickt«, stellte Paul fest.
    »Nun ja – stimmt schon«, gab Grandpa zurück.
    »Um mich zurückzuholen«, sagte Paul.
    Grandpa nickte.
    »Zur Geburtstagsparty«, fügte Paul noch hinzu und merkte selbst, dass er sich ziemlich lahm anhörte.
    Grandpa warf einen Blick auf die Überreste der Steinmauer, die jetzt deutlich zu sehen war, weil das Blattwerk fehlte.
    »Einen hübschen Schlupfwinkel hast du hier«, sagte Grandpa.
    Paul stellte sich vor, wie Grandpa die anderthalb Meilen bis zur Tierklinik zurückgelegt hatte und dann durch die Wiese gelaufen war.
    »Ich finde, es wird Zeit, dass du damit aufhörst«, sagte Grandpa mit unveränderter Freundlichkeit. »Das geht jetzt schon seit sieben Jahren so. Allerdings hast du das am Anfang wohl kaum so geplant. Jacob ist ein Kind, das einem schon mal unheimlich werden kann. Er nervt. Du hast dir eine Erklärung für ihn zurechtgebastelt. Und jetzt glaubst du, ihn zu verstehen, aber dabei geht es nur um deine Erklärung – nicht um Jacob. Das gilt auch für andere Dinge. Wir sind sehr vertraut mit unseren eigenen Erklärungen.«
    Paul zuckte mit den Schultern.
    »W ir sollten jetzt wohl gehen«, sagte Grandpa. »Es sei denn, du möchtest lieber hier im Wald bleiben?«
    Überließ ihm Grandpa wirklich eine echte Entscheidung? Paul musterte das Gesicht des alten Mannes, taxierte es genau. Der Ausdruck war neutral.
    Jacobs Geburtstag war Paul nicht wichtig genug, um eine große Szene daraus zu machen. Und überhaupt, Grandpa hatte zugegeben, dass Jacob »unheimlich« war. Das war nur ein kleiner Sieg, aber er reichte doch aus, um Paul dazu zu bewegen, den Wald zu verlassen. Er schob sein Rad am Lenker und folgte seinem Großvater den Pfad entlang.

EIN LEUCHTEN KOMMT ZU UNS HERAB
     
     
     
     
     
     
    Am Straßenrand vor der Tierklinik stand der Wagen von Pauls Vater. Paul hatte geglaubt, dass Grandpa die anderthalb Meilen zu Fuß gegangen war. Aber heute war so ein Tag, an dem sich seine Erwartungen samt und sonders zerschlugen.
    Grandpa fuhr mit einem gewissen Überschwang, den er nur mit Mühe im Zaum halten konnte. Er flitzte über Ampeln, wenn sie gerade umsprangen, sauste bei Gelb schon schnell los. Paul konnte es seinem Großvater ansehen, wie sehr es ihn in den Fingern gejuckt hatte, wieder ein Steuer zu halten. Das merkte man daran, wie konzentriert er durch die Windschutzscheibe schaute, wobei ein leichtes Lächeln um seine Lippen spielte. Die Fahrt dauerte fünf Minuten und während dieser Zeit sprachen sie kein Wort.
    Als sie am Haus der Colemans ankamen, stellte Paul überrascht fest, dass viele Autos auf der Auffahrt parkten, an der Straße und sogar am Rand des Rasens, der sich vor dem Haus hangabwärts zog.
    Hatte es einen Unfall gegeben?
    War Jacob krank? War ihm etwas passiert?
    Paul entdeckte einen grünen Luftballon am Hauseingang. Inzwischen war ein leichter Wind aufgekommen und der Ballon tanzte darin auf und ab und zerrte an der Schnur, mit der er am Türknauf festgebunden war.
    Schweigend parkte Grandpa den Wagen vor einem Nachbarhaus und stemmte sich aus dem Fahrersitz hoch. Er ging voraus, ohne sich umzusehen, schaute nicht nach, ob Paul ihm folgte.
    Paul zögerte. Er steckte die Hände in die Taschen und blieb unentschlossen auf dem Bürgersteig stehen. Sein Großvater, der seine Unsicherheit offenbar spürte, hielt an, ohne zu Paul hinzusehen. Er wartete vor dem Weg, der zum
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