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Paul Flemming 03 - Hausers Bruder

Titel: Paul Flemming 03 - Hausers Bruder
Autoren: Jan Beinßen
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entwickelt hatte, fühlte er sich ihr gegenüber verpflichtet, wobei das überhaupt nicht negativ gemeint war. Im Gegenteil. Es war vielmehr so etwas wie ein Gefühl der Fürsorglichkeit, das er plötzlich ihr gegenüber hegte. Und dazu gehörte es nun mal, Bagatellen wie kompromittierende Zeitschriften, auf Zettel gekritzelte Adressen von Fotomodellen oder das Bild einer Verflossenen verschwinden zu lassen.
    Ihm war klar, dass sein Verhalten unbegründet war. Katinka hätte ja schon bei früheren Besuchen all diese Dinge entdecken und sich daran stören können. Aber sie hatte nie etwas gesagt, höchstens mal eine flapsige Bemerkung fallen lassen. Warum also sollte er sein Leben so plötzlich ändern?
    Es läutete an der Wohnungstür. Paul fühlte sich, als wäre sein Herz für den Bruchteil einer Sekunde stehen geblieben, um danach in schnellerem Takt weiterzuschlagen.
    Während er sich noch über sich selbst wunderte, eilte er durch den Flur und öffnete.
    »Hallo, Paul«, begrüßte ihn Katinka fröhlich. »Schön, dass du Zeit für mich hast.«
    Das lange blonde Haar fiel über ihre Schultern und bildete einen hellen Kontrast zum nüchternen Dunkelgrau ihres Jacketts. Ihre blauen Augen lächelten genauso wie ihr Mund: offen und ohne jede Spur eines Vorbehalts.
    »Hier, statt Blumen«, sagte sie und drückte Paul eine gerollte Zeitung in die Hand. »Die neuesten Ergüsse deines Freundes Blohfeld. Diesmal geht es um keinen Geringeren als Kaspar Hauser.«
    Ihr voran ging Paul ins Atelier. Katinka setzte sich neben ihn auf das Sofa. Paul roch ihr Parfüm: Es war leicht, beinahe sommerlich, gleichzeitig aber enthielt es eine süßlich romantische Note, die auf den ersten Blick nicht so recht zu Katinkas nüchternem Auftreten passen wollte. Doch Paul kannte sie mittlerweile gut genug um zu wissen, dass gerade Feinheiten wie diese sehr viel über Katinkas vielfältiges Wesen aussagten.
    »Und, was hat Blohfeld geschrieben?«, fragte er, während er die Zeitung aufschlug. Er fand den Artikel auf Anhieb und las laut vor:
    »Der Fall Hauser: Neue Spur aus der Vergangenheit.« Er warf Katinka einen forschenden Blick zu und überlegte, ob er ihr von seinem Treffen mit Henlein berichten sollte, entschied sich dann aber dagegen: Sie würde das sicher nicht interessieren. Stattdessen las er weiter:
    »Ein Mordfall, der sich bereits im Jahr 1833 ereignete, lässt die Nürnberger bis heute nicht mehr los: Über kaum ein anderes Gewaltverbrechen wurde so viel geforscht, spekuliert und geschrieben wie über den Fall Kaspar Hauser. Trotz intensiver Aufklärungsarbeit blieben die Hintermänner der Bluttat von Ansbach unbekannt, und auch das Rätsel um Hausers Herkunft ist nach wie vor offen. Das könnte sich jedoch bald ändern: Unserer Zeitung liegen aus zuverlässiger Quelle Hinweise auf eine neue Spur im Fall Hauser vor.«
    Paul blickte Katinka tief in die Augen, dann las er weiter.
    »Nachdem Hauser verwandtschaftliche Beziehungen zu adligen Kreisen und sogar ein badischer Thronanspruch nachgesagt wurden – angeblich war er der verstoßene Erbprinz – , setzte eine Reihe von Attentatsversuchen gegen ihn ein, denen er schließlich nach einem Überfall im Ansbacher Hofgarten tatsächlich zum Opfer fiel.«
    Katinkas Knie berührte Pauls Oberschenkel. Er spürte eine angenehme Wärme in sich aufsteigen.
    »Während sich neuere kriminalwissenschaftliche Untersuchungen vorwiegend auf Blutreste von Hausers Beinkleidern konzentrierten, die er an seinem Todestag trug, richtet der Informant unserer Zeitung hingegen den Fokus auf einen der früheren Attentatsversuche, die bis heute nur wenig Beachtung fanden. Der in Fachkreisen ausgewiesene Hauser-Experte misst der neuen Spur überaus große Bedeutung bei. Vielleicht wird das Hauser-Geheimnis in absehbarer Zeit endlich gelüftet werden. . .«
    »Meint er das jetzt wirklich ernst?«, unterbrach Katinka, ohne ihren Spott zu unterdrücken.
    »Wie ich Blohfeld kenne: ja!« Paul legte die Zeitung beiseite.
    Katinka lachte. »An Hauser haben sich schon ganz andere die Zähne ausgebissen. Da wird auch ein Herr Blohfeld – trotz seines legendären Selbstbewusstseins – keinen größeren Erfolg haben.«
    »Warten wir‘s ab«, sagte Paul und erhob sich. »Du nimmst doch einen Cappuccino?«
    Katinka nickte, worauf Paul hinter seiner Küchenzeile verschwand. Er hatte sich gerade dem Kaffeeautomaten zugewandt, als ihn ein Geräusch aufhorchen ließ. Er drehte sich um und sah noch, wie Katinka eine
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