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Patient meines Lebens: Von Ärzten, die alles wagen (German Edition)

Patient meines Lebens: Von Ärzten, die alles wagen (German Edition)

Titel: Patient meines Lebens: Von Ärzten, die alles wagen (German Edition)
Autoren: Bernhard Albrecht
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wollte es nicht hinnehmen. Dafür der ganze Kampf? Sollte das medizinische Wunder so ein tragisches Ende nehmen? Er nahm Tim zu sich nach Hause. Sein neuer Lebensgefährte Paul kochte, heimlich mischte er Fleisch in das Essen, damit Tim, strenger Vegetarier, zu Kräften kam. Matthias’ Schwester, Krankenschwester von Beruf, zog zu ihnen in die Wohnung, übernahm die Pflege.
    Mit Hilfe seines Ex-Freundes überlebte Tim. In einer Neuro-Rehaklinik bei Berlin kämpfte er sich Schritt für Schritt zurück ins Leben. Er lernte wieder zu sprechen und zu laufen, gewann sein Gedächtnis zurück. Was genau sein Gehirn geschädigt hat, wissen die Ärzte bis heute nicht.
    Gero Hütter glaubte, es war alles zusammen: die Chemotherapie, die Zellgifte, die zweimal sein Immunsystem zerstört hatten, die zwei Ganzkörperbestrahlungen, die unzähligen Medikamente, die er bekommen hatte. Hütter begann seinen Erfolg mit anderen Augen zu sehen. Immerhin: Das HI-Virus blieb verschwunden. Ein schwacher Trost.

    Dorit Hütter erwachte am 12. November 2008 morgens um halb sieben durch den Ton einer eingehenden SMS, Gero schlief noch neben ihr. Ein gemeinsamer Freund schrieb: »Krass, dein Mann ist auf der Titelseite von BILD !!!« Gero Hütter entwich alle Farbe aus dem Gesicht. Zehn Minuten später hetzte er ohne Kaffee aus der Wohnung. Wie war das passiert? Zuerst das Wall Street Journal, fünf Tage zuvor, und jetzt BILD . Eine Redakteurin hatte am Vortag angerufen. Er könne keine Stellung nehmen, hatte er gesagt und aufgelegt.
    Es war eine hochsensible Phase. Mehr als ein Jahr hatte das New England Journal of Medicine seine Arbeit geprüft. Immer wieder hatten die Gutachter Nachbesserungen verlangt, aber zuletzt hatten sie sehr positiv geklungen. Er fieberte der Zusage zur Publikation entgegen.
    Dass die Nachricht nun zuerst in den Medien gefeiert wurde, konnte sich als Katastrophe erweisen. Manchmal wurden Arbeiten nur deshalb abgelehnt. Am Kiosk auf dem Weg in die Klinik sah er die Schlagzeile: »Sensation! Berliner Arzt heilt Aids-Kranken.« Und kleiner darunter: »Auf diesen Durchbruch hat die Menschheit gewartet.«
    Hütters Handy klingelte, die Leiterin der Öffentlichkeitsarbeit. Pressekonferenz um elf Uhr in der Charité. Hütter hatte sich wissenschaftlichen Ruhm erträumt, doch er war noch nie gern im Rampenlicht gestanden. Blitzlichtgewitter, Fernsehkameras, Fragen auf Englisch, er auf dem Podium neben seinem Chef und dem Forschungsdirektor der Charité. Es lief glimpflich ab.
    Die größte Katastrophe ereignete sich erst eine Stunde später. Eine E-Mail von Professor U. an Jeffrey Drazen, den Chefredakteur des New England Journal of Medicine. Hütter war auf cc gesetzt. U. zog seinen eigenen Namen von der Liste der Autoren zurück. Ohne Angabe von Gründen!
    Hütter erstarrte. Es war das Schlimmste, was jetzt passieren konnte. Dass ein Autor seinen Namen zurückzog, so kurz vor der Annahme eines Manuskripts zur Veröffentlichung in der renommiertesten Fachzeitschrift der Welt, könnte in der Lesart der Gutachter bedeuten: Forschungsbetrug! Der Mann hatte kalte Füße bekommen, ganz einfach. Niemand aus den USA würde prüfen, ob hier vielleicht einfach nur jemand beleidigt war.
    Hätte er sich nur dagegen gewehrt, dass U. auf die Liste der Autoren gesetzt wurde. Er hatte nachgegeben, als ihm jemand mit mehr Einfluss als er angedeutet hatte, es sei »gut für den Hausfrieden«. Es war das übliche falsche Spiel vieler Wissenschaftler, die an ihrer Karriere schraubten – nimmst du mich hier aufs Paper, nehme ich dich dort dazu. Viele, die etwas werden wollten, spielten es mit, jeder brauchte eine lange Liste mit Publikationen. Die angesehenste Fachzeitschrift der Welt prüfte jedes Wort, jede Zahl in einer Publikation. Aber, fand Hütter: Sie prüfte nicht gründlich genug, wer wirklich etwas beigetragen hatte.
    Seine Arbeit, die Arbeit seiner Kollegen, alles war jetzt in Gefahr. Möglicherweise würden sie die Publikation auch in keinem anderen namhaften Journal mehr unterbringen. Wer wollte schon eine Arbeit annehmen, bei der Forschungsbetrug als Verdacht im Raum stand. Die Welt wäre um eine Erkenntnis gebracht, die die Wissenschaft um Meilen voranbringen könnte – fürchtete Hütter.
    U. wurde zum Chef gebeten, die Gespräche liefen hinter verschlossenen Türen. Zwei Tage später schickte er eine zweite Mail an die Fachzeitschrift, erklärte, dass sein Rückzug von der Autorenschaft »in keiner Weise auf den
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