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Partnerschaft und Babykrise

Partnerschaft und Babykrise

Titel: Partnerschaft und Babykrise
Autoren: Wolfgang Schmidbauer
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in unserem Beispiel in der Einleitung beschließt, nach wiederholten Zurückweisungen nicht mehr für seine erotischen Bedürfnisse einzutreten, handelt er nach einem Modell grandioser, stolzer Erwachsenheit, die sich von allen kindlichen und bedürftigen Elementen sogleich reinigt, wenn diese nicht anerkannt und erwidert werden.

    Kinder hingegen sind ein Modell für die zähe Durchsetzungsfähigkeit von Wünschen. Ein gesundes Kind, das sich etwas wünscht, berechnet nicht im Voraus, ob die Eltern ihm das gerne geben. Es braucht keinen raschen Erfolg, um in seinem
    Wünschen fortzufahren. Und es wird nicht das Gewünschte entwerten, weil es ihm erst nach langem Bitten und vielleicht widerwillig gegeben wurde.
    Die Begegnung mit einem Kind bietet Chancen, die Einsicht in den Unterschied von realitätstauglicher Liebe und Symbiose zu vertiefen. Liebe ist »gut genug«, Symbiose strebt nach Perfektion. Liebe verliert das Eigeninteresse nicht aus dem Blick und bleibt sich der eigenen Lust oder Unlust bewusst, Symbiose opfert diese Wahrnehmung der sofortigen, möglichst perfekten Wunscherfüllung – erwartet diese aber auch vom Gegenüber.
    Liebe kann warten und eine Disharmonie ertragen, Symbiose gerät in Panik, weil völlige Entwertung droht. Liebe streitet
freundschaftlich; Symbiose zwingt sich zur Harmonie auf Depression komm raus.
    Kinder können ihre primitiven narzisstischen Wutanfälle nur dann angemessen regeln, wenn Erwachsene liebevoll mit ihnen umgehen, das heißt nicht das Gute und Konstruktive im Kind ebenso leugnen, wie es das Kind im Wutanfall mit diesen Qualitäten der Eltern tut.
    Wenn ein trotzender Vierjähriger die Mutter zum ersten Mal eine Schlampe, eine Fotze, eine Sau nennt – die schlimmsten Worte, die er im Kindergarten gelernt hat! – wird die perfekte Mutter kollabieren und den Psychiater rufen, der ihr wahnsinniges Kind heilt. Die selbstbewusste Mutter wird dem Kind klarmachen, dass sie solche Ausdrücke nicht leiden kann und vergleichbare auch selbst nicht ihm gegenüber verwendet. Dann wird sie mit ihm einen Vertrag schließen, auf sie zu verzichten oder, wenn das nicht gelingt, eine Woche Entzug von Nachtisch oder Fernsehen zu ertragen.
    Beziehungen scheitern nicht, wenn ein Partner sich in narzisstischer Wut und primitiver Entwertung gehen lässt, sondern erst, wenn es dem anderen Partner nicht gelingt, künftige Entgleisungen wirkungsvoll zu bekämpfen. Das heißt, dass ein gut genug liebender Partner in der Lage ist, einen perfektionistischen Partner zu dämpfen, es aber auch geschehen kann, dass er sich vom Perfektionismus anstecken lässt und nun zwei Rechthaber unversöhnlich zusammenprallen.
    Die Qualität des gut genug hängt mit Verlangsamungen zusammen. Distanz zu den schnellen Affekten von Wut und Angst wird möglich, wenn die Spaltung überwunden ist, welche das primitive Selbstgefühl prägt: Es gibt in dessen
Welt nur Schwarz oder Weiß, nur das gute Kind oder das böse Kind, die Madonna oder die Hexe, den Engel oder den Teufel. Derlei krasse, von jeder Mehrdeutigkeit gereinigte Bilder werden durch die schnellen Emotionen geschaffen und schaffen umgekehrt diese Emotionen. Der als Teufel erlebte und ebenso behandelte Partner verwandelt sich in diesen und bestätigt so das gespaltene Bild.
    Für in ihrem Selbstgefühl traumatisierte und daher besonders von schnellen Affekten geplagte Personen ist die Elternschaft Chance und Risiko zugleich. Die analytischen Erfahrungen widersprechen jeder voreiligen Sicherheit, dass anpassungsgestörte Personen mit einer Vorgeschichte von Arbeitslosigkeit, Anorexie, Sucht, Schul- und Studienabbrüchen als Eltern versagen müssen .
    Die Interaktion mit dem Baby bietet Schwierigkeiten und Möglichkeiten. Es handelt sich um eine einzigartige Qualität, in der auch traumatisierte und unangepasste Personen erstaunliche Kräfte entwickeln und umgekehrt bisher gut angepasste Menschen scheitern können. Jede Mutter hat die Chance, eine Beziehung von Anfang an zu gestalten. Manche können diese Chance für eine Art Selbstheilung bisher bestehender Abbruchstendenzen und Bindungsängste nutzen, andere scheitern an ihr und werden zur Gefahr für das Kind und sich selbst.
    Eine bisher sehr ängstliche und im Perfektionismus Sicherheit suchende Frau kann aus den Reaktionen ihres Kindes Selbstvertrauen aufbauen. Sie kann an ihrer wachsenden Fähigkeit reifen, mit diesen angemessen umzugehen. Das Kind ermöglicht das, weil es einerseits
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