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Partnerschaft und Babykrise

Partnerschaft und Babykrise

Titel: Partnerschaft und Babykrise
Autoren: Wolfgang Schmidbauer
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primitiv-narzisstisch
reagiert, auf der anderen Seite aber für Zuwendung so dankbar ist, dass es einen bisher instabilen Glauben an die eigene Liebesfähigkeit zu festigen vermag.
    Die narzisstisch belastete Mutter lernt von ihrem Baby, sich die eigene Störung nicht mehr so übel zu nehmen. Sie versteht, wie kleine Kinder sind und kann nun besser zwischen eigenen schnellen Affekten, eigener ängstlicher Verzweiflung und den Reaktionen eines wirklich ohne Versorgung hilflosen Wesens unterscheiden.
    In dem oben beschriebenen Fall einer essgestörten Mutter gab es einige Faktoren, welche diese Entwicklung unterstützten. Die junge Frau war sehr intelligent und hatte es bisher vermieden, ihre Ängste und Kränkungen durch Medikamente oder Drogen zu betäuben. Sie verfügte über Ressourcen, welche es ihr ermöglichten, sich angesichts der Anforderungen an die eigene seelische Entwicklung durch Schwangerschaft und Geburt auch tatsächlich zu entwickeln. Dabei war sie auf sich gestellt und wurde nicht durch kräftezehrende Kämpfe mit einem Partner belastet.
    Noch während der Schwangerschaft hatte sich das bisher extrem gespannte, bei kleinen Kränkungen von beiden Seiten her entgleisende Verhältnis zur Mutter entspannt, die später eine entlastende Oma wurde.
    Die essgestörte Patientin hatte sich bisher mit der Mutter erbittert gestritten, weil (so die Tochter) die Mutter nicht die geringste Einsicht in das hatte, was sie falsch gemacht hatte, während (so die Mutter) die Tochter nicht bereit war, auch nur ein krummes Härchen an ihrem Bild der perfekten Mutter zu akzeptieren.

    Seit Mutter und Enkelin der Oma ehrlich für ihre Hilfe danken konnten, gelang es auch der Oma, von den Sorgen und Einschränkungen zu erzählen, die sie selbst als Mutter erlebt hatte. Und je mehr die Tochter erlebte, wie Mutterschaft gelingen kann, obwohl nichts perfekt funktioniert, desto mehr war sie auch bereit, ihrer Mutter zu verzeihen, was gewesen war, und sich mit ihr auf die Gegenwart zu konzentrieren.
    Gegenübertragungen
    Therapeuten werden immer wieder mit dem Dilemma seelisch belasteter Frauen konfrontiert, die es sich nicht zutrauen, ein Kind auszutragen. Nach meinen Eindrücken aus Gesprächen mit Kollegen und der Supervision angehender Analytiker scheint mir kaum eine Situation so heftige Gefühlsreaktionen bei einem psychologischen Experten auszulösen. Dessen Auftrag ist definitiv nicht, für eine Klientin zu entscheiden, sondern diese auf dem Weg zu ihrer Entscheidung zu begleiten und zu unterstützen.
    Ein Kollege, den seine analytische Ausbildung auch in anderen Situationen nicht daran hinderte, sehr direkt in das Leben seiner Analysandinnen einzugreifen, schlug sehr ernsthaft in der begrenzten Öffentlichkeit eines Ausbildungsinstituts vor, als Therapeut für eine während der Analyse auftretende Schwangerschaft anzubieten, die Alimente für ein Kind aus eigener Tasche zu bezahlen, wenn die Klientin anders nicht veranlasst werden könne, die Schwangerschaft zu erhalten. Dieses Beispiel signalisiert, wie heftig die Affekte sind, die
im Kontext von Schwangerschaftsunterbrechungen auftreten. Sie spiegeln sich in den Debatten um die Fristenlösung, wo extreme Metaphern (Mord, Auschwitz) an der Tagesordnung sind. Sie zeigen, dass es angesichts dieser Frage fast unmöglich ist, sich in eine andere Position einzufühlen.
    Ich halte nichts von den auch unter wissenschaftlich geschulten Psychotherapeuten manchmal aufzufindenden, esoterischen Anmutungen, dass Patienten spüren, was Therapeuten verschweigen. Das ist barer Unsinn. Was ein Mensch nicht verraten will, kann er dann für sich behalten, wenn er mit sich selbst darüber im Reinen ist und nicht klammheimlich möchte, dass sein Gegenüber errät, was er nicht offen zu äußern wagt.
    Wenn ich die Schwangerschaft der essgestörten Patientin als Modell nehme, die bisher weder in Ausbildung oder Beruf, noch in ihren Liebesbeziehungen Stabilität und Kontinuität gewinnen konnte, kann ich mir sehr unterschiedliche Gegenübertragungsreaktionen vorstellen. Über meine eigene habe ich schon gesprochen: Ich machte mir Sorgen, aber ich dachte auch, das sei eine große Chance.
    Eine Kollegin in der Intervisionsgruppe, in der ich seit über zwanzig Jahren meine Gegenübertragungen zu klären suche, hat meine Haltung als rücksichtslos gegenüber dem Kind erklärt. Wenn eine derart früh gestörte Frau eine Schwangerschaft austrage, noch ehe sie selbst hinreichend stabilisiert sei,
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