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Partnerschaft und Babykrise

Partnerschaft und Babykrise

Titel: Partnerschaft und Babykrise
Autoren: Wolfgang Schmidbauer
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hatte, nannte sie eine Schlampe, ihre Großmutter, die ihr von allen Verwandten die Liebste war, fragte besorgt, wie sie das denn schaffen wolle.
    Sie hatte viele Ängste, aber sie konnte die therapeutische Unterstützung nutzen, um Abstand zu gewinnen und nach dem kleineren Übel zu suchen. Sie entschied sich, das Kind auszutragen, von mir durch den Hinweis unterstützt, dass nach den klinischen Erfahrungen ein Schwangerschaftsabbruch seelisch belastender ist als eine Geburt, selbst wenn sich die junge Mutter später entscheide, das Kind zur Adoption freizugeben.
    Ihr von der Krankenkasse finanziertes Stundenkontingent war fast erschöpft, als sie das Kind zur Welt brachte. Sie hatte sich in zähen Verhandlungen mit dem Sozialamt eine kleine Wohnung und eine Tagesmutter organisiert, brachte zum ersten Mal in ihrem Leben eine Ausbildung zu Ende und sagte manchmal etwas spöttisch, es sei doch eine gute Idee gewesen, das Kind zu behalten. Seit sie schwanger sei, habe sie jede Neigung verloren,
sich mit der Rasierklinge zu ritzen oder eine Fress-Brech-Orgie zu inszenieren. Ablenkung sei eben alles!
    Wie häufig bei narzisstischen Störungen gab es keinen Abschied von der Therapie, sondern ein offenes Ende: sie werde sich melden, sagte sie, augenblicklich sei sie einfach zu beschäftigt. Ich hörte nichts mehr von ihr und beschloss, das als gutes Omen zu sehen. Nach sieben Jahren rief sie mich an und bat um einen Termin. Sie begrüßte mich, als sei sie kaum fort gewesen. Sie sei in eine andere Stadt gezogen, arbeite halbtags, habe einen festen Freund. Sie hätte mir gar nicht erklären müssen, dass das Baby sie einen großen Schritt weitergebracht hatte. Aus einem mageren, impulsiven, hektisch zwischen Begeisterung und Entwertung kippenden Mädchen war eine Frau geworden.
    Früher hatte sie gesagt, Männer seien schrecklich, Frauen noch viel mehr, Beziehungen ohnehin eine Katastrophe, weil sie einem immer kaputtgehen. Jetzt war sie ruhig und freute sich sichtlich, mich wieder zu sehen. Es sei ihr einfach ein Bedürfnis gewesen, sich zu bedanken. Ich hätte sie damals unterstützt, das Kind zu bekommen. Diese Entscheidung sei die beste ihres Lebens gewesen. Sie habe allmählich begriffen, dass Mütter nicht perfekt sein müssen, sie habe nie das Gefühl entwickelt, von ihrer Tochter wie abgeschnitten zu sein, wenn es Streit gab, diese plötzliche Kälte, die ich immer Angst genannt habe, die sie so schnell überfalle, nichts wie weg und neu anfangen.
    Nein, sie könne sich über den Trotzkopf ärgern und ihn dennoch weiter lieb haben. Dass so etwas überhaupt möglich sei, hätte sie immer für eines der Märchen gehalten, die Therapeuten erzählen, ohne selber dran zu glauben. Und jetzt wolle sie Bescheid geben, sie könne definitiv aufhören mit der Therapie,
denn es sei ihr gelungen, diese Fähigkeit, sich zu streiten und zu versöhnen, von ihrer Tochter her auszudehnen, sie habe jetzt Freundinnen und einen Mann, mit dem sie sich eine gemeinsame Zukunft und ein zweites Kind vorstellen könne.
    Die Freude am Kind
    Angesichts schwindender Fortpflanzungsbereitschaft gilt es als politische Aufgabe, junge Erwachsene anzuleiten, über Elternschaft positiv zu denken. Das könne nicht allein durch die Finanzierung von Krippenplätzen geschehen, sagen die Familienpolitiker. Wir müssten jungen Menschen glaubhaft machen, dass Kinder Freude bereiten.
    Ist Freude am Kind in der Natur vorgesehen? Menschen werden in der Regel nicht durch ihren Kinderwunsch angetrieben, sexuelle Wünsche zu befriedigen. Im Gegenteil: die erotische Lust und die Sehnsucht nach dem Liebesobjekt sind so übermächtig, dass alle Bedenken schwinden, auch die über die Gefahren und Belastungen einer Schwangerschaft. Erotik und sexuelle Lust gelingen ebenso wie die aus ihnen wachsende Schwangerschaft am besten, wenn wir nicht zu genau überlegen, auf was wir uns da einlassen.
    Schwangerschaft macht kurzatmig. Eine Geburt tut weh. Säuglinge schreien mehr, als es Eltern lieb ist; Kleinkinder sind wahre Spürhunde im Auffinden schwacher Stellen in Mobiliar, Antiquitäten und Elternseelen. Das Trotzalter beginnt früh und endet später, als es die Mythen vom »Latenzalter« verheißen; die Rebellionen in Pubertät und Adoleszenz
stören den Familienfrieden gründlicher, als es Eltern erwarten, »wenn die Kinder erst aus dem Gröbsten heraus sind!«
    Warum also Kinder haben, wenn sie uns so heftige Sorgen bereiten und unserem Selbstgefühl derartige
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