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Partnerschaft und Babykrise

Partnerschaft und Babykrise

Titel: Partnerschaft und Babykrise
Autoren: Wolfgang Schmidbauer
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Grenzerfahrungen hinsichtlich der Reife und Ausgewogenheit der eigenen Persönlichkeit bescheren? Ich denke, dass hier zwei Motive wichtig sind, die sich dem positiven Denken entziehen. Das erste Motiv ist die intermittierende Verstärkung , das zweite die Angst vor der Kinderlosigkeit .
    Die intermittierende Verstärkung 26 ist ein sehr interessantes Prinzip, das manche Rätsel im menschlichen und tierischen Verhalten klärt. Es besagt, dass Säugetiere besonders hartnäckig das tun, was nur selten, sozusagen ausnahmsweise belohnt wird .
    Wer einem bettelnden Hund jedes Mal einen Happen gibt, wird ihm das Betteln durch konsequente Nicht-Belohnung sehr viel schneller abgewöhnen als ein Tierhalter, der nur selten, nach langen Pausen (eben »intermittierend«) das Betteln »verstärkt« hat. Aus eben diesem Grund ist Fußball so viel »spannender« als etwa Handball oder Basketball: Wir müssen viele scheiternde Spielzüge verfolgen, ehe wir durch ein Tor-Erleben belohnt werden. Im Leben mit Kindern ist es ähnlich. Es gibt viel Arbeit, viel Stress, vieles scheitert. Glücklichentspannte Momente sind eher selten. Gerade deshalb sind sie kostbar und leuchten intensiver vor dem Hintergrund an Mühe, Aufwand und vergeblichen Versuchen, paradiesische Harmonie herzustellen.
    Um diese Glücksmomente auszukosten, müssen Erwachsene
erst einmal Eltern werden. Auf dem Weg zu dieser Entscheidung spielt die Angst eine zentrale Rolle. Das Kind als Störer der Symbiose, als unberechenbarer Faktor in der eigenen Entwicklung, als grausame Erweiterung eigener Verletzlichkeit löst Ängste aus. Aber diese Ängste werden durch eine in der Regel noch sehr viel mächtigere Angst aufgewogen und zurückgedrängt: der Angst, keine Kinder zu bekommen, jenes Hauchs von Unsterblichkeit beraubt zu sein, den sie verkörpern, eine zentrale existenzielle Möglichkeit vermieden zu haben. Wer will, dass mehr Kinder geboren werden, sollte eher an diese Angst appellieren als an die Freude, mehr von sinnvoller Arbeit sprechen als von Lustgewinn.

    Kinder bedeuten Stress, Kinderlosigkeit aber für viele Menschen auf lange Sicht einen noch größeren. Nicht das positive Denken und nicht die freudige Erwartung sorgen dafür, dass die menschliche Fortpflanzung funktioniert. In guter Hoffnung sein gilt allein für die Schwangerschaft. Eltern hingegen machen sich Sorgen. Das Sprichwort untertreibt, wenn es behauptet: kleine Kinder, kleine Sorgen, große Kinder, große Sorgen. Diese Sorgen hören nicht auf, so lange die Eltern Kraft für sie übrighaben.
    Das mächtigste, der Kritik standhaltende Motiv scheint mir die Angst vor einer Unvollständigkeit, einer Asymmetrie, die dadurch entsteht, dass jeder von uns Kind war und dieses Erleben am leichtesten durch eigene Kinder ausbalanciert werden kann. Oft zeigt sich, dass diese Erfahrung hilft, Traumen
der eigenen Kindheit zu mäßigen. Frauen und Männer, die sich – selbst kinderlos – aufopfernd um ihre alten Eltern kümmern, werden oft sehr traurig, wenn sie daran denken, dass ihnen dieser Dienst nicht nachwächst.
    So halte ich es für voreilig, Freude an Kindern zu versprechen. Ich kann nur wiederholen, dass nach meiner Erfahrung der Stress, den Kinder bereiten, im Durchschnitt doch etwas geringer ist als der Stress, keine zu haben.
    Die Delegation der Selbstliebe
    Die erotische Liebe entschädigt Erwachsene für den Verlust der Kindheit und wird in den modernen Kulturen zu einer der mächtigsten Kräfte, das Selbstgefühl zu stärken. Liebende wagen mehr; ihr Gefühl, stärker zu sein als vor der Begegnung hängt damit zusammen, dass eine gemeinsame Euphorie Ängste blockiert. Daraus ergibt sich die Sehnsucht nach Dauer, nach einem Symbol, das bleibt und dieses Hochgefühl festigt.
    Das Kind verspricht, diese Sehnsucht nach Erweiterung der Selbstliebe zu erfüllen. Liebespaare sehen dieses Projekt als Grundlage ihrer Beziehung, als Versprechen, sie zu entwickeln und zu bereichern. Es leuchtet vielen Erwachsenen ein, dass etwas unvollständig in ihrem Leben ist, wenn sie keine Kinder haben. Dennoch ist es schwierig, das Kind in die Partnerliebe zu integrieren. Es gelingt paradoxerweise umso besser, je mehr die Erwachsenen fähig werden, von dem Kind zu lernen und sich ihm seelisch zu nähern.

    Die Analyse der Babykrise hat gezeigt, dass der sozusagen im Kleingedruckten untergebrachte narzisstische Anspruch Gefahren mit sich bringt, welche ein Paar an der Symbiosekrise scheitern lassen. Wenn Maximilian
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