Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Partnerschaft und Babykrise

Partnerschaft und Babykrise

Titel: Partnerschaft und Babykrise
Autoren: Wolfgang Schmidbauer
Vom Netzwerk:
Wahrheit, sondern ihre eigene: Er hat ihre ganze Sorge und Mühe um die Tochter mit einem Wisch ausgelöscht, hat beschlossen, sie auf den Müll
zu werfen, weil sie nicht mehr so schlank und knackig ist wie früher, hat sich mit einer Jüngeren zusammengetan. Und er hat es heimlich gemacht, er hat ihr keine Chance gegeben, hat nichts davon angekündigt, hat sie verhungern und verdorren lassen, bis sie zu unattraktiv und mutlos wurde, um sich noch nach einer neuen Beziehung umzusehen.
    Haben früher Kinder eine Beziehung gekittet? Sind wir heute verantwortungsloser, geben Beziehungen schneller auf, sind die Menschen egoistischer geworden? Solche Klischees spuken in konservativen Interpretationen, die gerne übersehen, dass sich Ehen auch durch zermürbenden äußeren Druck auf alle Beteiligten erhalten lassen und in der »guten alten Zeit« die Menschen eine sehr viel kürzere Lebenserwartung hatten. Ob eine Frau aus einer unglücklichen Ehe ausbricht oder im Kindbett stirbt, bedeutet für die Betroffenen alles; für die Statistik besagt ein solches Detail nur, dass Ehen seltener geschieden werden.
    So wissen wir nicht genau, ob die Kränkbarkeit der Eltern durch das Hinzukommen des Dritten in ihre Partnerschaft wirklich ein neues Phänomen ist oder nicht. Solange Kinder die einzige Alterssicherung für die Eltern waren, hat der ökonomische Gewinn schwerer gewogen. Armut und harte körperliche Arbeit lassen die Moral, wie Brecht sagte 2 , an die zweite Stelle rücken. Sie mindern noch mehr die narzisstischen Ansprüche an die Menschen, deren Liebe wir ersehnen.
    Unser Erleben ist auf die soziale Umwelt bezogen, die wir für gültig halten. Es kann nicht außer Kraft gesetzt werden, sobald uns andere Umwelten vorgehalten werden, nach dem
Motto: »Zu meiner Zeit hat’s das nicht gegeben!« Wir leben und leiden in der Welt, die durch unsere Ansprüche geschaffen ist. Wenn jemand aus der Zelle eines Klosters auf unsere Probleme herabblickt, werden die gequälten Seelen genau überlegen, ob sie dieses Beispiel zu Nachfolge oder Mitleid spornt.

    Ein weiteres Klischee will ich hier nur ganz kurz streifen. »Dann lieber keine Kinder« ist keine Lösung. Uneinige Kinderlosigkeit belastet eine Beziehung weit mehr als die Geburt eines Kindes. Aber diese Quelle einer Kränkung für das Paar ist für die Beteiligten sehr viel eindeutiger und leichter identifizierbar als das von beiden gewünschte und geliebte Kind. In der Tat kann ein Ereignis, welches von dem einen Paar als Krönung ihrer Liebe erlebt wird, die Liebe eines anderen (oder gar desselben Paares) unheilbar beschädigen. Wem das zu kompliziert ist, der sollte dieses Buch wieder aus der Hand legen.

Schwangerschaft und Aggression
    Wenn unser Kind dann später mal ein Eis isst
und nicht aufpasst, sodass das Eis herunterfällt,
dann sind wir uns doch einig, dass wir ihm
kein zweites Eis kaufen!?

    Ein werdender Vater zur Mutter seines Kindes,
im sechsten Monat schwanger, vor einer Eisdiele.
    Du meinst, unser Kind
muss deine ganze Sturheit ertragen?

    Die Schwangere

    Wer im Naturschutzgebiet einem wilden Schwein oder Bären begegnet, wer in den schwedischen Wäldern einen Elch trifft, dem klopft das Herz. Dennoch kann der Wanderer ziemlich sicher sein, dass ihm nichts geschieht. Solange er nicht versucht, das wilde Tier zu streicheln, wird ihm dieses ausweichen. Der Mensch passt nicht in sein Beuteschema. Eine Ausnahme: Sollte der Wanderer übersehen haben, dass er ein führendes Muttertier vor sich hat, ist er gar zwischen es und ihren Nachwuchs geraten, dann wird er angegriffen, ehe er sich’s versieht. Es gibt im Säugetierreich keinen gefährlicheren Ort als den zwischen Mutter und Kind.
    Wir Menschen haben uns in einer langen, in den letzten Jahrtausenden kulturell geprägten Evolution von solchen instinktiven Aggressionen verabschiedet. Neue Bilder haben sich eingeprägt: Der Mann steht am Eingang der Höhle und beschützt Mutter und Kind im Inneren. Hirten und Könige kommen, um das Wunder der Geburt zu bestaunen. Ein
sozialer Kokon beschützt und wärmt die innige Verbindung von Mutter und Neugeborenem.
    Und doch ist die Aggression im Umfeld von Schwangerschaft und Babyphase ein zentrales, fast immer unterschätztes Thema der modernen Paarbeziehungen. Wir könnten damit beginnen, uns Gedanken darüber zu machen, ob die Angriffslust gegen jeden, der den Nachwuchs bedroht, bei Homo sapiens noch eine Grundlage in instinktivem Geschehen hat oder von der Kultur
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher