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Partnerschaft und Babykrise

Partnerschaft und Babykrise

Titel: Partnerschaft und Babykrise
Autoren: Wolfgang Schmidbauer
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Kinderzimmer fast ein, schaffe es grade noch, mir die Zähne zu putzen und bin weg. Sexuell passiert gar nichts mehr, Florian sitzt dann vielleicht noch ein oder zwei Stunden vor dem Computer, obwohl er am nächsten Tag früh aufstehen muss.
    Florian hat regungslos Betsys Schilderung angehört. Die Initiative zur Therapie ging von Betsy aus, er findet seine Ehe
nicht am Ende, sondern ganz normal, ebenso seine Müdigkeit nach einem langen Arbeitstag im Büro. Schließlich geht keiner von ihnen fremd, sie lieben die Kinder, da gäbe es schlechtere Ehen.
    Im Einzelgespräch schildert Florian seinen Arbeitstag. Er blüht auf, sobald er bemerkt, wie sich der Therapeut für das interessiert, was er macht. Es ist eine Art Unternehmensberatung für große Darlehenskunden. Florian kann hier zwar seine juristische Ausbildung gut brauchen, aber er muss auch ständig dazulernen. Er hat ein kleines Team, junge, dynamische Leute, sie sitzen zusammen, schmieden Pläne, gestalten Präsentationen. Es wird in dem Einzelgespräch deutlich, dass Florian nach neun Stunden Arbeit keineswegs erschöpft ist. Er nimmt gut gelaunt noch mit dem einen oder anderen Kollegen einen Drink, ehe er in die S-Bahn steigt und in den Vorort fährt, wo er seiner Familie ein schönes Haus gekauft hat, zehn Minuten zu Fuß vom Bahnhof.
    Und wann wird er müde? Schlagartig, sagt Florian, schlagartig, sobald der Zug in den Bahnhof einfährt und er nach Hause geht, wo Betsy und die Kinder auf ihn warten.
    Er ruft mit dem Handy durch, damit sie wissen, wann er kommt. Und dann ist es, als ob aus einer unsichtbaren Quelle Blei in ihn fließt und er mit jedem Schritt müder wird. Erst jetzt merkt er, wie anstrengend die Arbeit war und wie kaputt er sich fühlt, leer, ausgebrannt. Wenn dann alle im Bett sind und es ruhig wird im Haus, dann fehlt ihm etwas und er surft im Internet, auf den Schweinderlseiten. Natürlich sind das blöde Filmchen und er versteht auch nicht, warum ihn Betsy so gar nicht mehr anmacht.

    Ehen zerbrechen an solchen Müdigkeiten. Sie sind der unauffällige Anfang von Auflösungserscheinungen, deren Tragweite erst erkannt wird, wenn beispielsweise einer der Partner eine neue Beziehung beginnt. Florians Verwandlung aber ist das Ergebnis einer Elternbeschädigung durch Babygeschrei.
    Solange Betsy ebenso wie er beruflich engagiert war, gab es nach Feierabend einen allmählichen, gemeinsamen Übergang aus der professionellen Anspannung in die Freizeit. Jeder fühlte sich darin von seinem Partner unterstützt und verstanden.
    Es herrschte eine Symmetrie der Erwartungen; es war möglich, über die Kollegen oder den Chef zu lästern und sich dann gegenseitig in den kleinen Kränkungen zu trösten, die unvermeidlich sind im Job. Florian fühlte sich von Betsy anerkannt; Betsy von Florian. »Dein Chef kann froh sein, dass er dich hat, er wird sich schon wieder einkriegen!« »An dir liegt es sicher nicht, wenn dich die Kollegin schneidet; ignoriere sie, sie wird sich schon wieder besinnen, du kommst doch mit allen Menschen gut aus, bei deinem Charme!«
    Entscheidender noch ist in diesen harmonischen Zeiten einer Liebesbeziehung das Nichtgesagte – bewundernde Blicke, Zärtlichkeiten, Erotik.
    Dann wird ein Kind geboren. Beide haben es sich gewünscht, sehen darin ein Zeichen, wie gut sie sich verstehen und wie viel Halt sie aneinander haben. Und doch verändert das Baby alles. Florian und Betsy haben sich, seit das erste Baby in ihren Haushalt kam, schmerzhaft frustriert. Ihre Müdigkeit gegeneinander drückt aus, wie sie dem Baby seine Rolle
neiden, wie sie selbst den gestillten Säugling spielen, um den Kummer über den Liebesverlust vonseiten des Partners zu verdrängen. Florian vermisst Betsys Anerkennung für seine beruflichen Leistungen; Betsy Florians Bewunderung, wie gut sie den Verzicht auf den Beruf und den Stress der Kinderarbeit bewältigt.

    Müdigkeit breitet einen Schleier über drohende Auseinandersetzungen. Sie ist Aufschub pur – heute nicht, ich bin zu müde. So wissen weder Florian noch Betsy, wie viel Neid und Wut in ihnen steckt.
    Betsy findet, Florian konsumiere eiskalt ihre Bereitschaft, auf ihren Beruf zu verzichten. Er hat nichts dagegen, wenn sie mit den Kindern versauert. Sie waren sich einig, dass ihnen beiden gehört, was er verdient, jetzt aber nörgelt er, dass ihr Homöopathie-Spleen immer mehr Geld koste als er jemals eintragen werde. Auch Florian fühlt sich ausgenützt. Betsy gibt sein Geld für ihre
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