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Partnerschaft und Babykrise

Partnerschaft und Babykrise

Titel: Partnerschaft und Babykrise
Autoren: Wolfgang Schmidbauer
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der bürgerlichen Gesellschaft geeignet, um die Bindung zwischen emanzipierten Individuen zu definieren.
    Eine Ehe zwischen Individuen ist eine historische Neuerung ohnegleichen. Es ist nur logisch, dass solche einsam und frei getroffenen Entscheidungen über existenzielle Fragen mit einem hohen Maß an Unsicherheit verbunden sind. Die symbiotische Phantasie, im Gegenüber ein Spiegelbild zu finden und dadurch die Ängste vor der radikalen Einsamkeit des vereinzelten Menschen zu bannen, lässt sich aus der Phantasie vom Geistes- oder Seelenzwilling rekonstruieren, die sich bei Analysanden beobachten lässt. Ich erinnere mich noch gut an eine Frau, die als zentrale Phantasie ihrer Jugend beschrieb: Ich habe eine Zwillingsschwester und wir heiraten Zwillinge.

    Braut und Bräutigam sollten in der traditionellen Kultur nicht persönlich, sondern aufgrund der Familieninteressen zusammenpassen. Alter, Aussehen, Charakter, Interessen werden für unbedeutend erklärt, wenn politisches Interesse die Verbindung gebietet. In den individualisierten Beziehungen hingegen fragen sich die Partner, ob sie zusammenpassen, die Richtigen füreinander sind. Partnerwahl unabhängig von den Eltern ist selbstverständlich. Wer nicht notfalls sogar gegen deren angedeuteten Willen meiner Schwiegereltern die Liebe zu mir über alles andere stellt, ist kein Partner, dem ich vertrauen kann.

    Im Zwillingsmythos soll der Partner jene Funktionen ausfüllen, welche in der traditionell arrangierten Ehe die Eltern bzw. der Sippenrat verkörpern. Wie eine gute Mutter, ein haltgebender Vater müssen die Partner bezeugen, dass die Entscheidung richtig ist, dass gar keine andere möglich war, dass dieses jetzt geschaffene Paar in der Lage sein wird, alle Widrigkeiten gemeinsam zu bewältigen. Die Symbiose soll nicht nur Unsicherheiten in Bezug zur Außenwelt ausgleichen, sondern vor allem auch Unsicherheiten im Selbstgefühl.
    Auch für das Verständnis der Unsicherheit im sexuellen Selbstgefühl ist das Modell des Ödipuskomplexes nützlich. Freud begann, sich mit der Situation des kleinen Kindes zwischen den Eltern zu beschäftigen. Das sei kein von erotischer Erregung, Eifersucht und Wut weit entfernter Engel, sondern ein ebenso bedürftiges wie verletzbares Wesen,
einerseits auf Schutz durch einen vertrauten Erwachsenen angewiesen, andererseits voller Begierde, es den Erwachsenen gleichzutun und Rivalen um die Gunst eines Liebesobjekts zu vernichten.
    Wenn das Kind sich in der Bewältigung dieser frühen Affekte mit dem gleichgeschlechtlichen Elternteil identifizieren kann, hat es eine feste Basis in seinem sexuellen Selbstgefühl, etwas wie einen stabilen Kern. Diese Struktur fehlt in den Fällen, in denen das Mädchen die Mutter ablehnte und den Vater unbewusst zum Vorbild nahm. Das Gleiche gilt für Knaben, welche beispielsweise die Ablehnung des Vaters durch eine enttäuschte Ehefrau übernahmen und eher die Mutter als Vorbild verinnerlicht hatten.
    Solche inneren Widersprüche, die in familiären Störungen der Identifizierungsangebote wurzeln, führen zu einer Unsicherheit über das eigene Mann- bzw. Frausein. Ein gesteigertes Bedürfnis nach Sicherheit und Bestätigung von außen kann diese Unsicherheit ausgleichen.
    Die betreffenden Personen sind symbiotisch bedürftig, ziehen sich oft gegenseitig an und können sich, solange kein Kind dazwischenkommt, auch gut stabilisieren. Denn es gelingt ihnen, sich wechselseitig in Bedürfnisse einzufühlen, sich nicht nur weiblich oder männlich zu verhalten , sondern auch intensiv bewiesen und bestätigt zu bekommen , dass sie ihre Geschlechtsrollen besonders gut ausfüllen.
    Verlust der Symbiose
    Solange diese Bestätigung fließt, erlebt sich das Paar als etwas Besonderes, innig, fest verbunden, anderen, weniger harmonischen Paaren überlegen. Erst in Krisen wird deutlich, dass von Kränkungen nie die Rede sein durfte, weil sie nicht verarbeitet werden können.
    Ingeborg ist das einzige Kind der Beziehung zwischen einem von seiner Familie wohlversorgten Erben und einer ehrgeizigen Sekretärin, die den Juniorchef sehr zum Missfallen von dessen Eltern durch eine Schwangerschaft »erobert« hat. Seit sie denken kann, hat Ingeborg ihren Vater liebevoll und warmherzig gefunden, ihre Mutter streng, neidisch, kalt und böse. Vielleicht hat Ingeborgs Mutter ihrer Tochter nie verziehen, dass diese so mühelos in den Genuss einer Liebe kam, die sie sich erkämpfen musste.
    Ingeborg heiratet Karl, den sie
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