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Partnerschaft und Babykrise

Partnerschaft und Babykrise

Titel: Partnerschaft und Babykrise
Autoren: Wolfgang Schmidbauer
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Vergangenheit rechtfertigte die Ankunft des Hoferben die Ehe. In den individualisierten Beziehungen der Moderne ist das anders. Eine vorher von unausgesprochenen Wünschen und hoher Rücksichtnahme auf die Kränkbarkeit des Partners ermöglichte Partnerschaft zerbricht, weil die Partner angesichts der Kränkungen innerhalb der Liebesbeziehung scheitern. Sie konnten einander nur in der Verarbeitung der beruflichen Kränkungen unterstützen. Wenn das gut gelungen ist, fällt es den Paaren besonders schwer, zu begreifen, weshalb sie sich angesichts der von dem Baby geschaffenen Kränkungen nicht mehr unterstützen können.
    Was die Firma oder der Kunde verlangen, kommt von außen,
von im Prinzip austauschbaren Personen. Wir erwarten im Arbeitsleben nicht liebevolle Rücksichtnahme, sondern den Versuch, Leistung für Geld von uns zu bekommen.
    Man verhandelt. Ehe der künftige Chef riskiert, einen guten Mitarbeiter zu verlieren, zahlt er eben etwas mehr, als er ursprünglich zahlen wollte. Jeder darf egoistisch sein, darf eigene Interessen durchsetzen; Aggressionen sind erlaubt, müssen aber diplomatisch vorgebracht werden, um den Verhandlungsspielraum nicht zu verkleinern.
    Liebesbeziehungen formulieren einen scharfen, bei genauer Analyse illusionären Kontrast zur Geschäftswelt. In jeder Vorabendserie, in jedem Melodram erkennen wir die wahren Liebenden an ihrer Uneigennützigkeit und Opferbereitschaft. Da zu Beginn einer Beziehung die Bedürfnisse ausgeprägt sind, dem Partner zu beweisen, dass ich »gut« bin, siedeln verliebte Paare in einer narzisstischen Blase, in der sie sich wechselseitig maximal bestätigen. Die Forderungen an den jeweils anderen stellen niemals dessen Opferbereitschaft auf eine harte Probe, weil es so wichtig ist, ihm seine Belastbarkeiten von den Augen abzulesen.
    Wenn die Liebende bemerkt, dass ihr Geliebter öfter Lust auf Sex hat als sie, wird sie ihn nicht unmäßig halten, sondern entdecken, dass sie selbst eigentlich auch schon immer mehr Lust hatte, als sie es für möglich gehalten hätte. Wenn der Mann bisher im Urlaub am liebsten an einem Gebirgsbach zeltete, wird er entdecken, dass ein Luxushotel viel bequemer ist, sobald er bemerkt, dass seine Liebste in einem weichen Bett schlafen will und sich ohne ein Badezimmer unwohl fühlt.

    Wo er etwas leistet, will der moderne Mensch einen Lohn; wo er etwas für den Partner tut, will er Anerkennung vom Partner, in der Regel nach dem schlichten Modell, dass er »gut ist«, was heißt: ein »guter Liebender«. Das kann existenzielle Wahrheit sein so gut wie leere Phrase. Es ist trivial, dass Menschen Anerkennung wollen, »Streicheleinheiten«, wie es heute etwas zynisch heißt, als ließe sich ein Streichelzähler zwischen die Partner schalten.

    Solange beide Partner berufstätig sind, hat jeder eine unabhängige Quelle der sozialen Bewährung. Deren Bedeutung für die Stabilisierung der Beziehung können wir kaum überschätzen. Wenn sie dann abends, am Wochenende, im Urlaub ihre freie Zeit teilen und einander liebevoll versorgen, ist es leicht, Symmetrie zu wahren und ein Grundgefühl gerechter Verteilung zu sichern.
    Sobald aber Dritte versorgt werden müssen, wird das erheblich schwieriger. Das beginnt schon angesichts der Aufgabe, Verwandte oder Freunde in die Beziehung zu integrieren. Wie gut oder wie schlecht das gelingt, kündigt an, wie ein Paar symbiotische Kränkungen verarbeiten kann.
    Der Zwillingsmythos
    Das Konzept der romantischen Liebe, das die individualisierten Beziehungen prägt, war ursprünglich künstlerisch gemeint, ein Mythos, um die höfische Sitte zu lehren. Die
von den Minnesängern konstruierte Beziehung zwischen dem Ritter und der angebeteten Dame, der er seine Taten zu Füßen legt, hatte erzieherische Aufgaben.
    Sie diente dazu, die gegenüber Frauen gewaltbereiten Männer auf einen Konflikt vorzubereiten, der am Hof des Feudalherrn auf sie wartete. Die Männer mussten dort damit rechnen, Frauen zu begegnen, die einen höheren Rang hatten als sie. Die Königin war »nur« eine Frau und stand doch über allen Männern außer ihrem Gemahl.
    Die Troubadoure haben durch ihre Verse über die romantische Liebe die Männer am Hof in ähnlicher Weise gegenüber der Frau des Herrschers neutralisiert, wie es im weniger zimperlichen Orient durch die Kastration der für den Haremsdienst vorgesehenen Diener geschah. Die romantische Liebe schützte vor primitivem Begehren, vor sexueller Gewalt. Daher schien dieses Modell
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