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Partnerschaft und Babykrise

Partnerschaft und Babykrise

Titel: Partnerschaft und Babykrise
Autoren: Wolfgang Schmidbauer
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präsenten Vater, keinen Flieger, der monatelang auf irgendwelchen Flughäfen in Colorado oder Südfrankreich sein Leben riskiert.
    Richard kämpft nicht offen gegen Claras Einwände. Er wiegelt ab: es sei ja ganz unsicher, ob er sich in dem Wettbewerb durchsetzen könne, und er wisse ja selbst nicht, ob er die Ausbildung wirklich machen wolle, er könne nur seinen Traum nicht einfach aufgeben. Niemand wisse, wo er eingesetzt werde, er begreife nicht, wie Clara angesichts so vieler Ungewissheiten zielsicher die schlimmsten Varianten auswähle und ihn behandle, als habe er ihr all das schon angetan. Dabei sei sie noch gar nicht schwanger!
    »Kein Wunder bei dieser Aufregung«, klagt Clara.
    Wenn Clara Richard für den Mann hält, der für seinen Größenwahn nicht nur den eigenen Kopf riskiert, sondern auch sie und die künftige Familie gefährdet, wird es derselbe Richard schwer haben, sie zu beruhigen und ihr brüchiges Bild seiner Zuneigung zu kitten. Wenn umgekehrt Richard in Clara eine Partnerin sieht, die ihm schon lange, ehe ihr die
geringste Konsequenz droht, seinen Traum kaputtredet, ist er auch nicht mehr in der Lage, sie zu beruhigen.
    Wer sich fürchtet, dem wird angesichts schneidender Argumente jede Gefahr zur Hydra. Vernünftige Einrede gegen ihre Angst kränkt den Narzissmus der Ängstlichen. Sie schämen sich doch bereits der von ihnen erlebten Schwäche. Zusätzliche Beschämung können sie nicht ertragen, sie wollen sich von niemandem sagen lassen, sie hätten ihr Problem nicht verstanden oder würden die Schwierigkeiten überschätzen. So finden sie gegen jedes Argument zwei neue Argumente, welche ihre Angst bekräftigen und unterstreichen.
    Am Ende fürchten sich die Partner voreinander, in dem Beispiel Clara, weil Richard ihre Ängste nicht versteht, Richard, weil sie seine Liebe und Fürsorge entwertet und ihn als kalten Egoisten hinstellt, als ob ein Testpilot niemals ein zärtlicher Vater sein könnte.
    Gefahren der Symbiose
    Mit dem Ende des physischen Wachstums und dem Ausreifen der Großhirnrinde erreicht Homo sapiens die Autonomie eines von seinem Verstand gelenkten Individuums. Neugierig und weltoffen, voller körperlicher und geistiger Reserven, reisebereit, kinderlos, aus elterlichem Anspruch entlassen, scheinen junge Erwachsene ihren frisch gewonnenen Grad von Individualisierung und Selbstständigkeit wenig zu schätzen.
    Sie trachten danach, sich möglichst bald zu verlieben. Und
schon kriechen die schlummernden Ungeheuer von Abhängigkeit, Eifersucht, Angst und Wut aus dem Bodenschlamm, in dem sie bisher schliefen, überflüssig angesichts des heroischen Selbstgefühls der Adoleszenz.

    Angst und Wut des kleinen Kindes sind von traumatischer Intensität. Aber im Kindesalter bewacht der Stolz die Abhängigkeitswünsche noch längst nicht so radikal wie bei Erwachsenen. Es ist viel schmerzlicher, einen sicher geglaubten Besitz von Autonomie zu verlieren, als von Anfang an immer wieder gezwungen zu sein, jene schmähliche Abhängigkeit von den Eltern zu erkennen, die ein Kind nun einmal nicht einfach austauschen kann und in der sich materielle und emotionale Bedürfnisse verfilzt haben.
    Es gibt für die Eltern erwachsener Kinder eine Situation, mit deren quälender Intensität sie nicht gerechnet haben: den Liebeskummer der erwachsenen Tochter oder des Sohns. Es erscheint einem wie eine Ungerechtigkeit, ein Passus, der im Vertrag, für ein Kind zu sorgen, nicht gestanden hat und jetzt doch nicht abgewiesen werden kann.
    Über weite Strecken der Kindheit sind es wir Eltern selbst, welche unseren Kindern Kummer machen, ihnen etwas vorenthalten, sie einschränken. Wenn wir also früher einen solchen Kummer bemerkt haben, konnten wir mit den Kindern verhandeln und meist schnell eine Lösung finden. Wir waren gemeint , und wir waren mächtig. Angesichts des aktuellen Kummers über einen kränkenden Partner unseres erwachsenen Kindes sind wir weder gemeint noch mächtig. Das ist
ein Abstieg, eine Beleidigung für unser Selbstgefühl, die zu dem Gefühl der Ungehörigkeit des Problems beiträgt.
    Wenn wir uns verlieben, ist dieser Prozess in der Regel auch eine erotische Erfahrung. Die körperliche Nähe in der Erotik ist aufs Engste verwandt mit der körperlichen Nähe zwischen den Eltern und dem Baby. Körperflüssigkeiten werden ausgetauscht, Ekelschranken überwunden, wie von selbst bauen sich archaische Erwartungen wieder auf. Es kann, es darf nicht wahr sein, dass ein Liebesobjekt, mit
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