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Paris, Ein Fest Fürs Leben

Paris, Ein Fest Fürs Leben

Titel: Paris, Ein Fest Fürs Leben
Autoren: Ernest Hemingway
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Marineoffizier benutzte ein Billardqueue als Zeigestock, wenn er die Feigheit von Jellicoe hervorhob, und manchmal wurde er so wütend, daß sich seine Stimme überschlug. Der Schullehrer hatte Angst, daß er mit dem Billardqueue die Leinwand durchbohren würde. Hinterher konnte sich der ehemalige Marineoffizier nicht wieder beruhigen, und alle in der Weinstube fühlten sich unbehaglich. Nur der Gerichtsvollzieher und der Bankier tranken mit ihm, und sie saßen an einem Tisch für sich. Herr Lent, der Rheinländer war, wollte sich den Vortrag nicht anhören. Ein Pärchen aus Wien war da, das zum Skilaufen gekommen war, das aber nicht ins Hochgebirge hinauf wollte und deshalb nach Zürs abreiste, wo es - wie ich hörte - von einer Lawine getötet wurde. Der Mann sagte, der Vortragende sei die Sorte von Schweinehund, die Deutschland zugrunde gerichtet hätte, und in zwanzig Jahren würden sie wieder soweit sein. Die Frau,, mit der er da war, hieß ihn auf französisch den Mund halten und sagte, dies sei ein kleiner Ort, und man könne nie wissen.

    Das war das Jahr, in dem so viele Leute von Lawinen getötet wurden. Das erste große Unglück war in Lech am Arlberg jenseits der Berge unseres Tals. Eine Gruppe von Deutschen wollte kommen, um mit Herrn Lent in den Weihnachtsferien Ski zu laufen. Der Schnee kam spät in diesem Jahr, und die Hügel und Berghänge waren noch warm von der Sonne, als ein großer Schneefall einsetzte. Der Schnee war tief und pulverig und haftete überhaupt nicht am Boden. Die Voraussetzungen zum Skilaufen konnten nicht ungünstiger sein, und Herr Lent hatte den Berlinern telegrafiert, nicht zu kommen. Aber es war ihre Urlaubszeit, und sie waren unerfahren und hatten keine Angst vor Lawinen. Sie kamen in Lech an, und Herr Lent weigerte sich, mit ihnen hinauszugehen. Ein Mann nannte ihn einen Feigling, und sie sagten, sie würden allein Ski laufen.

    Schließlich brachte er sie zu dem sichersten Hang, den er finden konnte. Er überquerte ihn selbst, und dann folgten sie ihm, und die ganze Hügelwand kam in einem wilden Sturz herunter und türmte sich über ihnen, wie sich eine Flutwelle türmt. Dreizehn wurden ausgegraben, und neun von ihnen waren tot. Die alpine Skischule hatte schon vorher nicht floriert, und danach waren wir fast die einzigen Schüler. Wir wurden zu großen Lawinenforschern, lernten, welche verschiedenen Typen von Lawinen es gibt, wie man sie vermeidet und wie man sich verhält, wenn man in eine hineingerät. Ich schrieb das meiste, was ich in diesem Jahr schrieb, in der Lawinenzeit.

    Das Schlimmste, an das ich mich aus jenem Lawinenwinter erinnere, war ein Mann, der ausgegraben wurde. Er hatte sich zusammengekauert und mit den Armen vor seinem Kopf einen Kasten gemacht, wie man es uns beigebracht hatte, damit man Luft zum Atmen bekam, wenn der Schnee sich über einem türmte. Es war eine riesige Lawine, und es dauerte lange, bis man alle ausgegraben hatte, und dieser Mann war der letzte, den man fand. Er war noch nicht lange tot, und sein Hals war durchgescheuert, so daß die Sehnen und Knochen sichtbar waren. Er hatte seinen Kopf gegen den Druck des Schnees von einer Seite auf die andere gedreht. In dieser Lawine muß etwas alter, verharschter Schnee mit dem neuen, leichten Schnee, der gerutscht war, vermischt gewesen sein. Wir konnten nicht feststellen, ob er es absichtlich gemacht oder den Verstand verloren hatte. Wie auch immer verweigerte ihm der Priester des Ortes ein Begräbnis in geweihter Erde, da es keinen Beweis dafür gab, daß er katholisch war.

    Als wir in Schruns wohnten, hatten wir einen langen Anmarsch durch das Tal hinauf zu dem Gasthaus, in dem wir übernachteten, ehe wir mit dem Anstieg zum Madlener Haus begannen. Es war ein sehr schönes altes Gasthaus, und das Holz an den Wänden in dem Raum, in dem wir aßen und tranken, war durch jahrelanges Polieren seidig. Tisch und Stühle ebenfalls. Wir schliefen eng beieinander in dem großen Bett unter dem Federbett bei offnem Fenster, und die Sterne waren nah und sehr hell. Morgens nach dem Frühstück beluden wir uns alle und trugen unsere Skier auf den Schultern, um die Straße hinaufzugehen, und begannen den Aufstieg im Dunkeln, und die Sterne waren nah und sehr hell. Die Skier der Träger waren kurz, und sie trugen schwere Lasten. Wir wetteiferten

    miteinander, wer mit den schwersten Lasten steigen konnte, aber niemand konnte sich mit den Trägern messen, untersetzten, mürrischen Bauern, die nur
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