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Paris, Ein Fest Fürs Leben

Paris, Ein Fest Fürs Leben

Titel: Paris, Ein Fest Fürs Leben
Autoren: Ernest Hemingway
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Gewicht, das man zuerst getragen hatte.

    Wir waren immer hungrig, und jede Mahlzeit war ein großes Ereignis. Wir tranken helles oder dunkles Bier und junge Weine und manchmal Weine, die ein Jahr alt waren. Die Weißweine waren am besten. Andere Getränke waren Kirsch, der im Tal gemacht wurde, und Enzianschnaps, der aus Gebirgsenzian gebrannt wurde. Manchmal gab es zum Mittagessen Hasenpfeffer mit einer üppigen Rotweinsauce und manchmal Wild mit Kastanienpüree. Hierzu tranken wir Rotwein, obwohl er teurer war als der Weißwein, und der allerbeste kostete 20 Cents pro Liter. Gewöhnlicher Rotwein war viel billiger, und wir schafften ihn in kleinen Fässern zum Madiener Haus hinauf.

    Wir hatten einen Büchervorrat, den uns Sylvia Beach für den Winter hatte mitnehmen lassen, und wir konnten mit den Leuten aus dem Ort auf dem Weg, der vom Sommergarten des Hotels abging, kegeln. Ein- oder zweimal in der Woche spielte man im Speisesaal des Hotels bei geschlossenen Fensterläden und verriegelter Tür Poker. Damals waren Glücksspiele in Österreich verboten, und ich spielte mit Herrn Nels, dem Hotelbesitzer, Herrn Lent von der alpinen Skischule, einem Bankier aus dem Ort, dem Gerichtsvollzieher und dem Gendarmeriehauptmann. Es war ein hartes Spiel, und alle waren gute Pokerspieler, nur Herr Lent spielte zu wild drauflos, weil die Skischule kein Geld einbrachte. Der Gendarmeriehauptmann hob den Finger ans Ohr, wenn er die beiden

    Gendarmen hörte, wenn sie auf ihrer Runde vor der Tür stehenblieben, und wir waren still, bis sie weitergingen.

    In der Kälte des Morgens, sobald es hell wurde, kam das Mädchen ins Zimmer, schloß die Fenster und machte Feuer in dem großen Kachelofen. Dann wurde das Zimmer warm, es gab Frühstück, frisches Brot oder Toast mit köstlichen Marmeladen und große Tassen mit Kaffee, frische Eier und guten Schinken, wenn man welchen wollte. Es gab einen Hund, der Schnauz hieß, der am Fußende unseres Bettes schlief, der liebend gern auf Skitouren mitkam und auf meinem Rücken oder meinen Schultern ritt, wenn ich berganlief. Er war auch mit Mr. Bumby befreundet und ging neben dem kleinen Schlitten her mit ihm und dem Kindermädchen spazieren.

    Schruns war ein guter Platz zum Arbeiten. Ich weiß es, denn dort hatte ich im Winter 1925/26 das Schwierigste an Umschreiben vor, das ich je gemacht habe, als ich die erste Fassung von Fiesta, die ich in einem Lauf in sechs Wochen geschrieben hatte, zu einem Roman umarbeitete. Ich kann mich nicht erinnern, welche short stories ich dort schrieb. Aber es waren mehrere, die gut ausfielen.

    Ich erinnere mich, wie der Schnee auf der Straße zum Dorf knirschte, wenn wir mit unseren Skiern und Skistöcken auf den Schultern in der Kälte nach Hause gingen, wie wir nach den Lichtern ausschauten und dann schließlich die Häuser sahen, und wie jeder auf der Straße «Grüß Gott» sagte. In der Weinstube waren immer Einheimische mit Nagelschuhen und in Gebirgstracht, und die Luft war rauchig, und die hölzernen Fußböden waren von den Nägeln zerschrammt. Viele der jungen Leute hatten in den österreichischen Alpenregimentern gedient, und einer, der Hans hieß und in der Sägemühle arbeitete, war ein berühmter Jäger, und wir waren gut befreundet, weil wir in Italien im selben Gebirgsabschnitt gewesen waren. Wir tranken zusammen, und wir sangen alle zusammen Gebirgslieder.

    Ich erinnere mich an die Pfade, die durch die Obstgärten und die Felder der Bauernhöfe am Hügelhang über dem Dorf hinaufführten, und an die warmen Bauernhäuser mit ihren großen Öfen und den riesigen Holzhaufen im Schnee. Die Frauen arbeiteten in der Küche und krempelten und spannen Wolle zu grauen und schwarzen Fäden. Die Spinnräder wurden mit einem Tretbrett in Bewegung gesetzt, und die Fäden waren nicht gefärbt. Die schwarzen Fäden stammten

    aus der Wolle schwarzer Schafe. Es war Naturwolle, und sie war nicht entfettet worden, und die Mützen und Sweater und langen Schals, die Hadley daraus strickte, wurden im Schnee niemals naß.

    An einem Weihnachten gab es ein vom Schullehrer einstudiertes Stück von Hans Sachs. Es war ein gutes Stück, und ich schrieb eine Besprechung für die Provinzzeitung, die der Hotelbesitzer übersetzte. In einem anderen Jahr kam ein ehemaliger deutscher Marineoffizier mit kahlgeschorenem Kopf und Schmissen und hielt einen Vortrag über die Schlacht im Skagerrak. Die Lichtbilder zeigten die Bewegungen der beiden Kriegsflotten, und der
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