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Blaubeeren und Vanilleeis

Blaubeeren und Vanilleeis

Titel: Blaubeeren und Vanilleeis
Autoren: Gudrun Helgadottir
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    Also Tumi findet, das ist so …
    Eigentlich wohnt Tumi nicht bloß in einem Haus, sondern in Häusern. Manchmal hat er sogar das Gefühl, mit seiner Familie ein ganzes Dorf zu bewohnen, und das findet er super. Es ist nämlich so: Die Häuser von Tumis Familie sind die einzigen in der ganzen Straße, die einen Namen haben. Sie heißen WALLHOF . Der Name steht allerdings nur auf einem der Häuser, nämlich dem alten Haus, in dem schon Tumis Urgroßeltern gelebt haben. Damals, als der Wallhof noch ein Bauernhof war. Jetzt wohnen Tumis Mama, er selbst und seine beiden Schwestern darin. Tumis Großeltern haben die alte Bauernhofschmiede in eine Wohnung umgebaut und da leben sie nun. Früher gab es auch noch einen Stall und eine Scheune. Dort ist nun Mamas Werkstatt untergebracht.
    In der Straße stehen nur Einfamilienhäuser. Keine Wohnblocks. Die Häuser sehen alle ziemlich ähnlich aus, und auch die Gärten. Sie sind wahnsinnig gepflegt. Und die Straße ist unheimlich ruhig. Denn eigentlich ist dort niemand zu Hause, solange die Kinder in der Schule sind. Nach Schulschluss hört man jedoch eine Tür nach der anderen knallen. Dann kommen die Kinder auf den Wallhof. Und stopfen dort alles in sich hinein, was sie in der Küche finden können – vor allem, wenn das Essen in der Schule nicht so besonders war. Ein ganzes Brot verschwindet wie Tau in der Sonne, als wären auch all die anderen Kinder Mamas Kinder. Den Käse versteckt sie immer, weil der so teuer ist. Dafür gibt es aber genügend Rhabarber- und Johannisbeermarmelade, denn im Garten wächst ein ganzer Wald aus Rhabarberstängeln und Johannisbeersträuchern. Mama, die eigentlich Solveig heißt, aber immer nur Lolla genannt wird, friert den Rhabarber und die Beeren im Herbst ein und kann dann jederzeit Marmelade daraus kochen. Sie ist nämlich richtig klug, Mama Lolla.
    Irgendwie ist es einfacher, auf dem Wallhof zu sein als bei den anderen Kindern zu Hause. Irgendwie entspannter. Das findet zumindest Tumi. Bei schönem Wetter scheucht Mama sie einfach raus in den Garten, bei schlechtem Wetter runter in den Keller. Der Garten, das sind vor allem Wiese und Bäume. Große, alte Bäume, auf denen man toll klettern kann, eine recht ordentliche Schaukel und stattliche Fußballtore – langweilig wird es da nie. Aber das Beste von allem ist die Höhle in der Lava hinter den Häusern. Da, wo die Lavazunge endet, ist ein hoher Wall. Deswegen heißen die Häuser ja auch Wallhof. Genau genommen gibt es sogar zwei Höhlen. Die eine ist so riesengroß, dass ein ganzer Haufen Kinder darin Platz findet, wenn es zum Beispiel mal regnet oder schneit. Die andere ist kleiner und man kann alles Mögliche darin verstecken. Geheimnisse und so.

Irgendwie findet Tumi es schön, in einem Haus zu wohnen, das einen Namen hat. Die anderen Häuser haben nur Nummern, und wenn Tumis Haus nicht Wallhof hieße, dann wäre es bloß die Gartenstraße Nummer 7 . Was ziemlich langweilig wäre, findet Tumi. Mama hat das kleinste Hausnummernschild gekauft, das sie auftreiben konnte. Sie musste nämlich ein Schild anbringen, damit die Postboten nicht völlig verwirrt sind, falls auf einem Brief mal nur Gartenstraße 7 steht.
    Meist findet Tumi das Leben auf dem Wallhof gar nicht übel. Manchmal fühlt er sich wie der Herr im Hause, weil er der Älteste unter den Geschwistern ist: acht Jahre alt. Seine Schwester Vildis ist ein Jahr jünger, und Tumi findet, dass sie oft viel zu ernst ist. Geradezu besorgt. Tumi hat keine Ahnung, weshalb sie sich all diese Sorgen macht. Oder doch – sie denkt ständig nur ans Sparen. Trauert jedem Bissen nach, den seine Freunde nach der Schule in der Küche verdrücken. Dabei ist Mama nicht besonders arm, oft bekommt sie sogar jede Menge Geld. Aber auch sie ist ein bisschen so wie Vildis, immer ganz sparsam. Vielleicht sind Frauen und Mädchen einfach so. Sorgen sich wegen allem.
    Nur Vala nicht. Die ist richtig lustig. Vala ist vier Jahre alt und macht sich nie wegen irgendetwas Sorgen.
    Das Einzige, weswegen Tumi sich ein bisschen sorgt, ist, dass Mama manchmal einsam ist, weil sie keinen Mann hat. Ihre Freunde sind allesamt Ehepaare, die immer etwas zusammen machen können, nur sie selbst geht selten aus. Weil sie niemanden hat, mit dem sie gehen könnte. Traurig ist sie deshalb eigentlich nur selten, meist ist sie sogar ziemlich fröhlich. Aber trotzdem – sie müsste einen Mann haben.
    Und eigentlich hat Tumi den auch schon gefunden. Genau den
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