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Paranoia

Paranoia

Titel: Paranoia
Autoren: Robin Felder
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Schreibtischlampe überzieht das aus Chrom und dunklen Edelhölzern bestehende Mobiliar mit einem vornehmen, schummrigen Gelb.
    Esther antwortet: »Ich fliege morgen nach London, mit Markus und Marc. Wir haben dort die Abschlusskonferenz mit Watanabe anberaumt. Ich musste noch was vorbereiten, aber jetzt bin ich fertig. Wie steht’s mit dir? Nett, dein neues Büro.«
    »Nett, nicht wahr? Ein bisschen dunkel vielleicht.« Ich schaue mit einer Grimasse umher. Wir lachen beide vernehmlich, vor allem wohl, weil meine Bemerkung weder witzig noch sonst was war. Ihre kleine Zahnlücke wird sichtbar. Ich schalte das Deckenlicht nicht ein. Mein neues Luxusbüro. Einfachunerheblich, nicht der Rede wert. Mit wachsendem Erfolg scheint meine Chance auf irgendeine erlangbare Form der Zufriedenheit nur umso mehr nachzulassen.
    Esther lächelt noch immer über meinen faden Witz, um ein sich anbahnendes Schweigen zu verdrängen. Sie kann das. Im Gegenzug frische ich mein schelmisches Schmunzeln, von dem ich annehme, dass es so gar nicht nach einunddreißig aussieht, noch mal auf und bessere es nach. Weil nichts schlimmer wäre, als ihr Entgegenkommen nicht zu goutieren. Aus Gründen des Gesprächsübergangs sauge ich mir etwas Firmenbezogenes aus den Fingern, rede belangloses Zeug, wobei sie mir gerade intensiv genug direkt in die Augen schaut, um klarzumachen, dass ich mich für diese heiße Luft nicht zu schämen brauche. Meine Stimme muss unangenehm klingen, total verschleimt. Nein, ich schlucke einfach nicht. Wenn es Esther auffällt, dann lässt sie es sich nicht anmerken. Sie fährt sich durchs Haar. Am Ringfinger trägt sie so wenig wie ich. Könnte gut sein, dass sie auf mich steht. Sicher bin ich nicht, sicher bin ich nie. Aber die Blicke, ihre Bewegungen, der Tonfall. Die paar dürftigen Parameter, die ich für mich auswerte. Gut möglich, sehr wahrscheinlich sogar.
    »Ich habe hier auch noch ein bisschen was zu tun, ich muss morgen nach Wien, Air Linus, Akquise!«, sage ich und zeige auf die in Teakholz gefasste Marmorplatte, auf der nur mein Laptop mit seinem aufgerissenen Maul thront. Und ein Kuli mit Echtgold-Aufsatz. Und ein halbleeres Glas mit Red Bull. Es steht sehr nah an der Kante. Keinen Schimmer, weshalb ich Gläser immer zu nah am Rand abstelle.
    Ich füge an: »Noch ein Stündchen, dann mache ich auch Schluss«, um sicherzustellen, dass Esther abzieht und nicht auf die Idee kommt, wir könnten gemeinsam noch wohin gehen.
    »Ich verstehe.« Ein winziges Stirnrunzeln zieht ihre Brauen zusammen, dann sieht sie ziemlich ostentativ auf ihre kleineArmbanduhr. Ja, da bin ich mir ganz sicher, so ein intelligentes Mädchen wie sie versteht ganz gewiss.
    »Na, dann will ich dich nicht länger stören«, wiederholt sie ihre eingangs schon geäußerte Beteuerung. Hält also Wort.
    »Guten Flug und viel Glück morgen, Esther«, malme ich feucht die Silben heraus und reibe die Hände gegeneinander, als erwarte ich dadurch deren Erwärmung.
    »Ja, gute Nacht, Conrad, schlaf gut. Und mach nicht zu lange.«
    Ich nicke willfährig. Solche Bemerkungen sind mir immer ein wenig zu viel. Weibliche Wärme und Fürsorge haben etwas Besitzergreifendes, kein Zweifel. Als sie sich umdreht, durchs Zimmer geht und hinaus, klaube ich den Kuli vom Tisch und wiege ihn zwischen zwei Fingern. Eine nichtssagende Geste, die mir erspart, ihr nachzusehen. Ganz klar, irgendeine Form von Befangenheit verbindet uns, das fällt mir schon seit längerem auf. Deshalb habe ich immer das Gefühl, dass wir beide nach jedem Aufeinandertreffen erleichtert sind, es gut überstanden zu haben. Keine nähere Erklärung möglich. Keine große Affäre. Ich höre, wie die Tür sich schließt. Und schlucke nicht. Blick auf die Armbanduhr. Das Gefühl, Zeit vertrödelt zu haben, treibt mich an. Ich setze mich und mache mit der Arbeit weiter.
    Wenige Minuten später klopft es. Zeitgleich geht die Tür auf, und ich höre »Woa woa woa, da ist ja mein Lieblingsconrad wieder. Woa woa woa, ja, wo war er denn, unser verschollener Pisswichser?« Ben steckt seine Visage zur Tür herein und spricht mit mir, in dieser künstlichen Kinder-Überdrehtheit, die wir untereinander fast nur noch in Anwesenheit dritter abstellen können.
    »Bist du versumpft oder was? Unser Verschollener! Hab dich heute auf Handy nicht rangekriegt. Das ist unprofessionell, mein liebes Blödmann-Arschloch.« Ben und seine Angewohnheit,Kraftausdrücke aneinanderzureihen. Mitunter nervt’s, ist man
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