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Para-Traeume

Para-Traeume

Titel: Para-Traeume
Autoren: Vampira VA
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jede zartbesaitete Natur in den Wahnsinn treiben mußte. Und Pray wunderte sich, weshalb er angesichts dieses Schreckens nicht einfach umfiel oder zumindest zu brüllen begann.
    Dann erst spürte er den Kloß, der wie etwas Glühendes und Stacheliges in seiner Kehle festsaß und der sich als Schrei lösen wollte, aber nicht konnte, weil etwas Prays Lippen regelrecht verschweißte.
    Geradezu irrsinnige Gedanken rasten schmerzhaft durch seinen Kopf.
    Daß Deadhorse etwas wie eine Kolonie für Aussätzige sein mußte, war nur einer davon. Zugleich aber auch der, an dem er sich am längsten festklammerte. Weil jede andere - und womöglich wahrscheinlichere - Erklärung ihm unweigerlich den Verstand kosten mußte!
    Die Menschen (Das sind keine Menschen! brüllte die zuvor noch so leise Stimme in ihm), die den Ring um ihn enger und enger zogen, sahen aus, als wären sie von einer furchtbaren und womöglich namenlosen Krankheit befallen. Einer Krankheit, die ihre Körper schier verwüstete und deren grausamster Aspekt doch etwas völlig anderes war: die Tatsache nämlich, daß sie ihre Opfer nicht mit dem Tod erlöste. Zumindest nicht in diesem Stadium, von dem Pray sich keine Steigerung auch nur vorstellen konnte.
    Diese Männer und Frauen sahen aus und rochen, als würden sie bei lebendigem Leibe verfaulen. Und es war ein grausames Wunder, daß ihre Leiber sich noch aus eigener Kraft aufrecht hielten.
    Pray glaubte über dem Rauschen des Regens zu hören, wie ihr schwärendes Fleisch sich mit feuchten Lauten bewegte. Und der Gestank der verwesenden Körper rollte ihnen wellengleich voran, um über Moses Pray zusammenzuschlagen.
    Vielleicht lag es daran, vielleicht aber weigerte sich sein eigener Körper auch einfach nur, noch länger durchzuhalten - auf jeden Fall sank Pray in die Knie. Er fing seinen Sturz ab, so daß er nicht völlig in dem Morast landete, in den der Regen die staubige Straße mittlerweile verwandelt hatte.
    Als Wärme sich über seine Hände breitete, brauchte Pray ein paar Sekunden, ehe er merkte, daß sie von seinem eigenen Erbrochenen herrührte.
    Die Schritte um ihn her verstummten. Doch das Stöhnen und Ächzen riß nicht ab.
    Pray versuchte sich zu weigern, den Blick zu heben. Aber er spürte etwas wie eine unsichtbare Hand unter seinem Kinn, deren Druck er sich nicht widersetzen konnte.
    Die Laute, die sich über seine bebenden Lippen drängten, standen dem ihn umwehenden Chor kaum nach.
    Er sah auf und blickte in bleiche Gesichter über ausgemergelten Körpern. Er sah Haut, die an uraltes Leder erinnerte und stellenweise zerrissen war, und dunkles Fleisch, das sich von den Knochen schälte.
    Und er sah - Zähne.
    Fast fingerlang kamen sie ihm vor und nadelspitz. Wie kleine, aus Elfenbein gefertigte Dolche ragten sie aus beinahe schwarzen Kiefern.
    Und sie wuchsen!
    Jedenfalls war es das, was Moses Pray zuallererst glaubte.
    Bis er merkte, daß sie >nur< näherkamen.
    Als die anderen sich zu ihm niederbeugten.
    Die anderen ...
    Pray stieß ein kieksendes Geräusch aus, das, wäre die Situation auch nur ein wenig anders gewesen, komisch geklungen hätte.
    Die Erkenntnis, daß er es hier mit etwas völlig anderem als Aussätzigen zu tun hatte, hatte sich mit Brachialgewalt Einlaß in sein Bewußtsein verschafft. Für die Frage, ob es möglich war, ob es Wesen wie diese überhaupt geben konnte, war unter diesem Ansturm weder Zeit noch Raum gewesen .
    Dann, endlich, löste sich der schmerzende Klumpen aus seiner Kehle.
    Moses Prays Schreie brachen sich an den Wänden der Häuser ringsum und degradierten das Prasseln des Regens zu etwas sehr Fernem und sehr Leisem.
    Sie veränderten sich ein kleines bißchen, als neben Entsetzen auch Schmerz zu ihrer Triebkraft wurde.
    Und sie verebbten schließlich, als nur noch Schmatzen und Schlürfen in Deadhorse zu hören waren.
    Doch auch diese Laute wurden nach einer Weile von anderen abgelöst.
    Von würgenden Schreien, von qualgeborenem Ächzen und Stöhnen.
    Vom selbst intonierten Grabgesang einer sterbenden Rasse ...
    * Lilith Eden erwachte.
    Nicht weil es an der Zeit gewesen wäre oder sie sich ausgeruht fühlte.
    Sondern weil Schmerz sie weckte.
    Es schien keine Stelle ihres Körpers zu geben, die nicht wehtat.
    Das Zentrum des Schmerzes konzentrierte sich auf ihre Brust. Sie hatte das Gefühl, als wäre ihr ein glühender Nagel vom Durchmesser eines Kinderarms ins Herz getrieben worden, und automatisch wollte sie danach greifen, um ihn
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