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Para-Traeume

Para-Traeume

Titel: Para-Traeume
Autoren: Vampira VA
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Als hoffte Seine Eminenz, das noch kraftlose Licht des Morgens könnte die Schauder vertreiben, die ohne Unterlaß über seinen Rücken krochen. Wie Spinnen mit eiskalten Beinen, die sich nicht entscheiden konnten, in welche Richtung sie seinen Körper verlassen sollten.
    Dabei waren es normalerweise die anderen, in denen seine Gegenwart solcherlei Unbehagen weckte. Der Kardinal war ein korpulenter Hüne. Seine Augen lagen wegen der buschigen Brauen stets im Schatten und fielen nur deshalb auf, weil es in ihnen fortwährend blitzte - selten vergnügt, oft energisch und manchmal erzürnt. Autorität umwehte ihn auf Schritt und Tritt, einer Aura gleich, die in anderen schon den bloßen Gedanken an Widerspruch erstickte.
    Es mochte kaum eine Handvoll Menschen auf der Welt geben, die ihrerseits ein solches Gefühl in Alessandro Caracolli zu schüren imstande waren.
    Und von dieser möglichen Handvoll war der Kardinal bislang nur zweien tatsächlich begegnet.
    Einer dieser beiden war Seine Heiligkeit selbst.
    Dem anderen stand er nun gegenüber.
    »Ich kann es mir vorstellen. Aber ich hoffe, es hat nicht wirklich etwas mit meiner Person zu tun«, erwiderte dieser andere auf die Frage des Kardinals, obwohl Seine Eminenz vielleicht gar keine Antwort erwartet hatte.
    »Nein«, sagte Caracolli, seines Zeichens Präfekt der Heiligen Ritenkongregation, »ich nehme an, das hat es nicht.«
    Wenngleich er sich dessen auch nicht vollkommen sicher war. Obwohl der andere auf den ersten Blick keinen Anlaß bot, ihm mit Mißtrauen oder gar Vorbehalten gegenüberzutreten - er war einen halben Kopf kleiner als Caracolli, sein Gesicht war Beweis dafür, daß sich in seinen Adern das Blut vieler Völker dieser Erde mengte, und sein gepflegtes Äußeres ließ an einen Geschäftsmann denken, der seinen Erfolg zwar zur Schau trug, dies aber nicht auffällig tat; seine schlanken Hände lagen auf dem Knauf eines unübersehbar wertvollen Gehstocks, und das Alter des Mannes war kaum zu schätzen: er konnte die Vierzig ebenso gut gerade erst überschritten wie die Sechzig beinahe erreicht haben -, war etwas an ihm, daß den Kardinal ein bißchen mehr als nur beunruhigte. Ohne daß er es konkret hätte benennen können.
    Vielleicht war es etwas, das den anderen unsichtbar umgab; vielleicht war es sein Gebaren - seine Angewohnheit etwa, sich stets im Schatten zu halten; sein rhetorisches Talent, mit vielen Worten wenig zu sagen und mit wenigen Worten Rätselhaftes noch mehr zu verklären; seine Fähigkeit, die eigenen Gesichtszüge wie die einer Wachsmaske modellieren zu können, was es anderen unmöglich machte, hinter die Fassade zu sehen.
    Und vielleicht war es etwas ganz anderes .
    Vielleicht das, was die wenigen Menschen, die sich zu dieser frühen Stunde auf dem Petersplatz aufhielten, einen Bogen um die beiden Männer schlagen ließ und sie fremden Blicken offenbar entzog.
    Der Kardinal war es gewohnt, wegen seiner auffälligen Erscheinung und der Soutane, die Zeichen seines hohen Amtes war, von Besuchern des Heiligen Platzes zumindest mit verhohlener Neugier bedacht zu werden. Doch jetzt, im Beisein des anderen, war es, als gäbe es ihn gar nicht.
    Im Beisein des anderen .
    Des anderen . ..
    Caracolli kannte nicht einmal seinen Namen. Und auch das mochte einer der Gründe sein, weshalb ihm diese Treffen verhaßt waren.
    »Sie haben mit dem Chef gesprochen?« fragte der andere aus dem Schatten des Obelisken heraus, und der Kardinal konnte sich des seltsamen Eindrucks nicht erwehren, daß dieser Schatten den Mann ein kleines bißchen mehr umhüllte, als er es eigentlich hätte tun dürfen.
    Caracollis Augenbrauen wanderten mit fast hörbarem Knistern aufeinander zu, als er mißbilligend die Stirn furchte. Der despektierliche Umgangston, den der andere bisweilen anschlug, war auch so eine Sache .
    »Ja, das habe ich«, sagte er dann. »Und ich frage mich einmal mehr, weshalb Sie es nicht selbst tun. Wenn Sie allem Anschein nach doch so vertraut mit Seiner Heiligkeit sind .«
    Ein freudloses und wie gewohnt künstlich wirkendes Grinsen erschien im schattenhaften Gesicht seines Gegenübers: »Gehen Sie der Einfachheit halber davon aus, daß ich Schwierigkeiten habe, den polnischen Akzent zu verstehen, hm?«
    Jeder andere hätte das Grollen, das sich Caracollis Brust entrang, als eine unmißverständliche Drohung aufgefaßt. Der andere jedoch quittierte den dumpfen Laut nur mit einer um eine winzige Nuance veränderten Version seines Lächelns und
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