Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Para-Traeume

Para-Traeume

Titel: Para-Traeume
Autoren: Vampira VA
Vom Netzwerk:
sagte: »Dann haben Sie eine Nachricht für mich?«
    Er fragte nicht, er stellte fest. Und streckte gleichzeitig die Hand aus; gerade soweit, daß sie den Schatten des Obelisken nicht verließ.
    Der Kardinal streckte seinerseits die Rechte vor, die er bisher hinter seinem Rücken verborgen gehalten hatte. Der Kommentar, der ihm auf der Zunge lag, erstarb noch hinter seinen Lippen, als seine Hand in den Schatten glitt.
    Dieses Gefühl .
    Diese unmögliche Kälte, die wie mit winzigen, aber höllisch scharfen Zähnen in seine Finger biß, kaum daß sie in den Schatten des Obelisken eintauchten .
    Es mußte Einbildung sein.
    Es konnte nur Einbildung sein!
    Und doch löste sich sein Griff wie unter plötzlichem Schmerz, und er ließ den Umschlag, den er gehalten hatte, mehr in die offene Hand des anderen fallen, als daß er ihn wirklich überreichte .
    Der andere drehte das unscheinbare Kuvert und brach das päpstliche Lacksiegel, das ihn verschloß. Dann entnahm er dem Umschlag ein nicht minder unscheinbares Blatt Papier, von dem Caracolli nur soviel erkannte, als daß es handschriftlich beschrieben war, mit nicht einmal sonderlich vielen Worten.
    Die Augen des anderen bewegten sich rasch hin und her, während seine Blicke über die wenigen Zeilen huschten. Sein Mienenspiel gab dabei - natürlich - keinen Aufschluß über das, was er las. Und mit der gleichen Ausdruckslosigkeit in den Zügen holte er dann ein Sturmfeuerzeug aus einer Tasche seines Jacketts, schnippte die Flamme an und hielt sie an das Papier, das er zuvor einmal der Länge nach gefaltet hatte.
    Das Blatt wurde so schnell vom Feuer verschlungen, daß Caracolli vermutete, es müßte mit einer brennbaren Substanz getränkt sein. Der andere hielt es so lange fest, bis die Flammen schon nach seinen Fingern züngelten. Dann erst ließ er es los, und Ascheflocken wehten wie schwarzer Schnee über den Petersplatz.
    »Beeindruckend«, konnte der Kardinal sich nicht verkneifen zu sagen, auch wenn nicht einmal halb soviel Spott in dem einen Wort lag, wie er es beabsichtigt hatte.
    Der andere überging die Bemerkung einfach.
    »Gehen Sie zu ihm und sagen Sie ihm, daß die Gesandten umgehend losgeschickt werden.«
    Seine vage Kopfbewegung und die kaum merklich veränderte Blickrichtung seiner Augen galten dem Vatikanischen Palast.
    Alessandro Caracolli zwang sich, den anderen sekundenlang regelrecht anzustarren. Er spürte, wie etwas ihn dazu bewegen wollte, den Blick abzuwenden, aber er widersetzte sich diesem Drang mit Erfolg. Und dieser kleine Sieg über - was-auch-immer-es-war verlieh seiner Stimme die Festigkeit, die er sich wünschte und die vonnöten war, um seine Worte nicht albern klingen zu lassen - und de-ren Fehlen seine wahre Beunruhigung verraten hätte.
    »Ich glaube, ich weiß, warum ich diese Treffen hasse«, meinte er.
    Die linke Augenbraue des anderen rutschte nach oben.
    »Ja?«
    Der Kardinal nickte.
    »Ja. Es liegt wohl daran, daß ich dabei immer das Gefühl habe, es ginge um ein bißchen mehr als nur um Leben und Tod.«
    Um die Lippen des anderen legte sich eine neue Abart seines freudlosen Lächelns, doch in seine Züge stahl sich eine Spur von Nachdenklichkeit, von der Caracolli fast überzeugt war, daß sie sich gegen seinen Willen dort einnistete. Und es dauerte eine kleine Weile, bis der andere antwortete.
    »Ja, Sie haben recht, Eminenz. Es geht um ein bißchen mehr als nur um Leben und Tod«, sagte er leise und fuhr dann in beinahe leutseligem Tonfall fort: »Es geht um den Fortbestand der Welt, wie wir sie kennen.«
    Und als er daraufhin eine fast schon komische Mischung aus Entsetzen und Verwirrung in Caracollis Gesicht bemerkte, setzte er leichthin dazu: »Aber das muß Sie nicht kümmern, Eminenz. Für diesen Job sind andere zuständig.«
    Er hatte kaum ausgesprochen, als er auch schon um die Ecke des Obelisken herum verschwand, auf seinen Stock gestützt und das rechte Bein kaum merklich nachziehend.
    Fast eine Minute lang stand Kardinal Alessandro Caracolli mit halb geöffnetem Mund da, reglos wie die Heiligenfiguren, die die Kolonnaden rings um den Petersplatz krönten. Dann endlich kam wieder Leben in ihn. Doch als er selbst um den Obelisken herumtrat, um nach dem anderen Ausschau zu halten, war der längst verschwunden - vielleicht untergetaucht zwischen den Menschen, die den Platz nun in größerer Zahl bevölkerten, oder eins geworden mit den Schatten der Säulengänge.
    Caracolli wußte es nicht, und er suchte auch nicht
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher