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Para-Traeume

Para-Traeume

Titel: Para-Traeume
Autoren: Vampira VA
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mit sich bringen mußte.
    Aber der Abschied von Melissa war schlimmer gewesen, als der alte Mann es sich vorgestellt hatte.
    Tausendmal schlimmer.
    Sein träges Herz schien seit jenem Tag mit jedem Schlag ein kleines bißchen müder zu werden. Aber es würde nie so müde werden, daß es ganz zu schlagen aufhörte. Sein Herz würde niemals zu schlagen aufhören.
    Was andere seiner Art als dunklen Segen empfinden mochten, war für den alten Mann längst zum Fluch geworden.
    Doch mindestens ebenso sehr litt er unter der Einsamkeit.
    Manchmal fragte er sich, ob sich Melissa an seiner Seite einsam gefühlt haben mochte. Immerhin war er nahezu ihre einzige Gesellschaft gewesen, weil sie die anderer Menschen meiden mußte.
    Aber langweilig - nein, langweilig konnte es ihr mit ihm nie geworden sein. Er hatte ihr Geschichten aus einem Fundus erzählen können, der nahezu unerschöpflich war, weil er ihn über eine Zeitspanne angelegt hatte, die den Menschen beinahe als Ewigkeit vorkommen mußte.
    Und er hätte ihr noch so vieles erzählen können .
    Nun war da niemand mehr, mit dem er reden oder auch einfach nur schweigen konnte. Er knüpfte keine Kontakte zu anderen Menschen, galt in der Stadt als Sonderling, und er unternahm nichts, um diesen Ruf zu brechen. Wer weiß, was daraus erwachsen wäre, hätte er es getan .
    Und dafür, was immer auch die Folgen sein würden, fühlte er sich zu alt .
    Im Licht des jungen Tages sah die Stadt aus wie ein Gemälde, das ganz in Kupfertönen gehalten war. Still und bewegungslos ruhte sie dort unten, und nicht einmal ein Lüftchen regte sich.
    Und doch bewegte sich plötzlich etwas.
    Nicht unten in der Stadt, sondern über dem alten Mann.
    Ein dunkler Punkt trieb, nicht ganz geradlinig, sondern ein bißchen schwankend, über den fast rostfarbenen Himmel.
    Flatternd wie - - eine Fledermaus?
    Ein Lächeln erschien auf den bleichen Lippen des Alten.
    Und es verschwand und machte einem erschrockenen Zug Platz, als das Tier dort oben plötzlich zuckte und aufkreischte, so schrill, daß nur jemand wie der alte Mann es hören konnte.
    Für Sekunden kam ihm die Fledermaus wie an den kupferigen Himmel genagelt vor. Dann aber stürzte sie ab, fiel wie ein Stein zu Boden. Er konnte sogar den dumpfen Laut hören, mit dem sie aufschlug.
    Die Stelle konnte nicht weit entfernt sein.
    Hastig stand der alte Mann auf und suchte nach dem Tier.
    Er fand den kleinen Körper in der Nähe des Zaunes, der sein Grundstück säumte. Reglos lag die Fledermaus im taufeuchten Gras, die Flügel ausgebreitet, und im ersten Moment hielt der alte Mann sie für tot. Doch dann bemerkte er das Zucken in der bepelzten Brust.
    Erleichterung erfüllte ihn. Das Lächeln kehrte auf seine Lippen zu-rück. Ganz vorsichtig, als fürchtete er, das Tierchen zerbrechen zu können, nahm er es in beide Hände und trug es behutsam ins Haus.
    Eine kleine Kiste war rasch gefunden, und der alte Mann polsterte sie mit zerrissenem Papier, Holzwolle und alten Tüchern aus, ehe er die Fledermaus hineinbettete.
    Ganz sanft strich er mit einem Finger über das borstige Fell, unter dem das Herzchen sicht- und spürbar schlug.
    »Wir müssen doch zusammenhalten, mein Kleines, hm?« sagte er zärtlich und noch immer lächelnd, so glücklich wie seit Jahren nicht mehr.
    Dann richtete er sich wieder auf und sagte: »So, mein kleiner Freund, ich muß dich kurz alleine lassen. Es wird Zeit für meinen morgendlichen Spaziergang.«
    Es war eine Angewohnheit, die er seit Melissas Tod pflegte. Zweioder dreimal wöchentlich ging er hinunter in die Stadt, um ein paar Sachen einzukaufen: Lebensmittel, Dinge für den Haushalt.
    Nicht, daß er all das Zeug wirklich gebraucht hätte.
    Aber es galt, den Schein zu wahren.
    In einer kleinen Stadt wie Salem's Lot kam schnell Gerede auf .
    *
    Im ersten Augenblick hielt Moses Pray die anderen tatsächlich für Geister.
    In dem Dämmerlicht schienen ihm die Körper gestaltlos und ohne Substanz, wie aus Finsternis geschaffen, wogend und ihre Form mit jedem Schritt, den sie näherkamen, verändernd.
    Erst als die Distanz auf wenige Schritte zusammengeschrumpft war, konnte Pray Konturen und schließlich auch Details ausmachen.
    Und im gleichen Moment wünschte er sich, sie wären Geister!
    Denn die Konfrontation mit >echten< Gespenstern hätte nicht annähernd so schrecklich sein können wie dies hier!
    Die Gestalten, die sich mit der Behäbigkeit uralter Greise auf Moses Pray zu bewegten, boten ein Bild des Grauens, das
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