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Papierkrieg

Titel: Papierkrieg
Autoren: Martin Mucha
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versuchen.«
    »Was, wenn’s schiefgeht?«
    Ich zuckte mit den Achseln. »Werden wir dann sehen.«
    »Kein Plan B?«
    »Nur wenn’s was bringt, einen zu haben. Wenn heute Abend irgendwas
schiefgeht, dann etwas aus der Kategorie völlig unerwartet. Da hilft mir auch
kein B-Plan weiter.«
    »Wer ist der Käufer?«
    »Ein sehr seriöser, gut betuchter Sammler. Von dem haben wir
nichts zu befürchten. Er ist brav wie ein Lamm. Ein mit Euroscheinen
gestopftes.«
    »Und dann?«
    »Sind wir reich. Wir teilen die Marie und jeder geht seiner Wege.«
    Während sie nachdachte, kaute sie wieder auf ihrer Unterlippe
herum. Der Kellner brachte unsere Bestellung und ich trank vom heißen Kaffee.
Mila schenkte sich ein.
    »Willst mich loswerden?«
    »Nein, ich kann mir nur nicht vorstellen, dass wir zwei auf die
Dauer miteinander glücklich werden. Eine freundschaftliche Trennung scheint mir
bei unserer gemeinsamen Vorgeschichte ebenfalls unwahrscheinlich. Die
Versuchung, dem anderen eins auszuwischen, wäre zu groß. Warum nicht einfach in
Freundschaft auseinandergehen?«
    »Hast recht.«
    »Aber noch ist’s nicht so weit, bis dahin müssen wir sehr
vorsichtig sein. Mike weiß, dass du bei mir bist. Er hat’s Berti gesteckt. Wenn
er ein bisschen nachdenkt, kommt er drauf, dass wir beide jetzt den Fetzen
haben.«
    »Was will er machen?«
    »Er kennt ein paar Leute, die ebenfalls scharf drauf sind, und mit
denen ist nicht gut Kirschen essen. Aber ich hab ein Druckmittel. Der Tote
vorher, das war Benders Majordomus. Momentan halten wir uns beide gegenseitig
in Schach, mutual assured destruction gewissermaßen.«
    Sie schaute mich groß an. Offensichtlich hatte sie nicht alles
mitgekriegt.
    »Keine Sorge, eine Weile geht das gut und bis dahin bist du
verschwunden. Die Schrammen werd nur ich einkassieren. Das halt ich aber schon
aus.«
    »Bender is a Warmer?«
    »Wie kommst du darauf?«
    »Na wegen den Ma…, Maschodingsbums. Klingt schweinisch.«
    »Nein, das heißt nur, dass Fred Benders rechte Hand war. Sein
Haushofmeister, hätte man früher gesagt.«
    »Warum sagst das denn nicht so, dass es jeder gleich versteht?
Willst protzen?«
    »Nein, aber oft bekommt man nicht die Gelegenheit, ein solches
Wort zu verwenden. Stell dir vor, du hast eine Chance auf ein Date mit Brad
Pitt. Majordomus ist das Gleiche für mich.«
    »Ich steh nicht so auf blonde Männer, aber ich versteh schon.« Ein
Moment Pause, dann ernsthaft: »Du bist ziemlich pervers.«
    Das klang stark nach Kompliment. Ich lächelte und nahm einen
Schluck von meinem Mokka, dann blickte ich auf meine Armbanduhr. Es war
mittlerweile Viertel nach eins. Ich ließ mich in meine Fensterbank
zurücksinken, bis zum Vortrag hatten wir noch massig Zeit, die wir bestimmt
irgendwie totschlagen würden.
     
    Als ich um 17 Uhr 30 in den Hörsaal C1 trat, war ich
angenehm illuminiert. Mila und ich hatten den Nachmittag im Ritter verbracht und
danach noch schnell mit meinem letzten Geld Hose und Bluse für sie erworben,
denn sie hatte darauf bestanden, bei der Übergabe dabei zu sein. Das barg zwar
jede Menge Risiken, aber das Mädchen hatte einen diamantharten Willen und sich
schließlich durchgesetzt. Sie saß irgendwo hinten im Saal. Dittrich hatte ich
auch schon gesehen, er hatte mir mit Verschwörermiene zugeblinzelt. Ganz nach
Plan hatte ich mir beim Empfang zwei Gläser Sekt hineingestellt. Der Alkohol
bewirkte, dass die Farben strahlten, das Gescharre und Gemurmel der Leute im
Saal Vorfreude erzeugte und ich in Hochstimmung meinen Vortrag begann.
    Ich hatte wohl doch mehr Alkohol in meiner Blutbahn, als mir
aufgefallen war, denn bevor das erste Wort heraußen war, hatte ich keine
Ahnung, wovon ich sprechen würde. Normalerweise beginnt man einen öffentlichen
Vortrag, bei dem nur wenig Fachpublikum anwesend ist, am besten mit einem
geistreichen Wortwitz. Dann reicht für den weiteren Vortrag ein Lacher alle 15
Minuten, um die Leute bei der Stange zu halten. Mein Unterbewusstsein wählte
einen anderen Weg. Angesichts eines heute Vormittag erlittenen tragischen
Verlustes eines guten Freundes, so verkündete ich mit angemessenem Ernst, würde
ich den Vortrag meiner momentanen Gemütslage anpassen. Anstatt über soziale
Dynamiken spätbronzezeitlicher Gesellschaften und deren Bedeutung für die Krise
des spätkapitalistischen Systems würde ich den Tod bei Homer zum Thema machen.
Meine Ankündigung wurde mit anteilnehmendem Schweigen
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