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Papierkrieg

Titel: Papierkrieg
Autoren: Martin Mucha
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standen
einfach wie Salzsäulen da und widmeten sich ganz der Aufgabe, hart auszusehen.
Als Mila und ich wieder am Gespräch teilnahmen, verabschiedete sich die Frau
Professor und wir blieben mit der Mafia allein zurück.
    »Ich wollte Sie einladen, natürlich gilt das auch für Ihre
Begleitung. Wir feiern ein kleines russisches Fest heute Abend. Morgen geht es
zurück in die Heimat. Wir wissen von dem Besuch heute Vormittag, den Sie
erhalten haben, und von seinen unerfreulichen Konsequenzen. Daher denke ich,
dass sich das Papyrus Ihrem Zugriff entzogen hat.«
    Ich war kurz perplex, ließ mir aber hoffentlich nichts anmerken.
»Werden Sie den Mann verfolgen?«
    »Nicht wirklich. Wir werden sehen, was die Polizei unternimmt;
wenn sie ihn dann findet, sind wir zur Stelle, verlassen Sie sich drauf.«
    »Was bedeutet das nun für unsere Vereinbarung?«
    »Persönlich mag ich Sie, Herr Doktor. Sie haben die ganze
Angelegenheit über kühlen Kopf bewahrt. Das schätze ich. Sie sind weder
überängstlich noch tollkühn. Dass wir beide ein bisschen Pech hatten, ändert
daran nicht das Geringste.«
    »Das freut mich, aber Sie wollen mir doch nicht einreden, dass wir
quitt seien, oder?«
    »Nein, natürlich stehen Sie, bei aller Sympathie, tief in unserer
Schuld.«
    »Wie wird diese Schuld für mich zurückzuzahlen sein?«
    »Wir verfolgen ernsthafte Interessen in Ihrer schönen Stadt. Ein
Mann Ihrer Qualität wird da immer für uns von Nutzen sein. Keine Angst, Sie
werden auch ein wenig davon profitieren. Darf ich Sie nun bitten, noch ein
bisschen russische Gastfreundschaft zu genießen?«
    Mila und ich folgten ihm, die beiden Leibwächter uns. Alles war
ein wenig unwirklich. In der Spitalgasse wartete schon der Fahrer und wir
stiegen ins Auto. Die Russen hatten irgendwo in der Gegend ein Restaurant
gemietet. Ähnlich wie in der Suite im Marriott war ein großes Büfett aufgebaut
worden, mit kalten und warmen Speisen bestückt. Zur geistigen Stärkung fehlte
ebenfalls nichts. Die Stimmung war bereits ausgelassen, als wir eintrafen,
steigerte sich aber noch beträchtlich. Wildfremde Menschen fielen einander um
den Hals, Emotionen kochten über und der Alkohol floss in Strömen. Mir sind nur
mehr einzelne Bilder und Geräusche aus dem weiteren Verlauf jener Nacht in
Erinnerung.
    Irgendwann wankten Mila und ich Richtung
Gürtel. Ungefähr um halb vier des Morgens. Kein Taxi wollte uns mitnehmen, denn
wir hatten nur Fünfhunderter dabei. Wir kamen an einem Café vorbei, dessen Name
uns anzog: Na und. Wir gingen hinein und bestellten uns ein letztes Bier. Außer
uns war nur die Bedienung und ein mittelaltes Trinkerpärchen anwesend. Die
beiden starrten stumpf in ihre Biergläser und sprachen kein Wort. Aus der
Jukebox röhrte ›November Rain‹ von Guns’n’Roses. Die Bedienung, so um die 40,
mit dunklen Locken, etwas füllig in der schwarzen Servieruniform, kam in ihren
Gesundheitsschlapfen zu uns. Sie sprach die Art von Wiener Dialekt, der nur aus
Verachtung und Enttäuschung zu bestehen scheint. Wir bestellten ein Bier.
    »Zipfer oder Gösser?«
    »Is wurscht.«
    »Wurscht is a gfüllte Haut. Zipfer oder Gösser?«
    Mila und ich sahen uns an. »Gösser.«
    Ob wir mit einem Fünfhunderter zahlen konnten und dann mit dem
Taxi heimfuhren, oder ob die Bedienung das Geld nicht annahm und wie wir dann
zahlten, oder ob überhaupt, das kann ich nicht mehr sagen.

XIIi
    Der
nächste Morgen fand mich allein und elend auf meiner Couch. Ich hatte meine
Augen noch nicht geöffnet und der Kater noch nicht seine Krallen gezeigt, als
mir schon klar war, dass Mila verschwunden war. Ich atmete tief durch und
setzte mich behutsam auf. Als ich in die Küche geschlichen war, machte ich mir
eine Kanne Sencha. Auf dem Kühlschrank, unter einem leeren 16er Blech, lag ein
Brief. Eigentlich waren es nur ein paar Zeilen auf einem schmutzigen Blatt
eines linierten Collegeblocks.
    Als der Tee fertig war, nahm ich die Kanne und eine Schale, zog
das Blatt unter der Bierdose hervor und setzte mich auf meinen Sessel. Dann
schenkte ich mir die goldgrüne Köstlichkeit ein und labte Geist und Seele.
Anschließend las ich Milas Zeilen. Als ich damit fertig war, faltete ich das
Blatt sorgsam und verstaute es in meinem Notizbuch. Als Mahnung und als Stachel
des Ansporns. Später legte ich die Bach-CD von Yuri Bashmet und Sviatoslav
Richter ein, mit dem ›Adiago e piano sempre‹, das ich mittels Repeat-Funktion
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