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Papierkrieg

Titel: Papierkrieg
Autoren: Martin Mucha
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ging ich den Gartenweg zum Haus. Ivanka öffnete mir
die Tür und führte mich ins Arbeitszimmer des Herrn Doktor juris Meyerhöffer.
    Das Zimmer blickte durch zwei große Fenster über das
Scheiberbachtal hinaus auf die Stadt. Eine der Wände war unverbaut und mit
Bildern geschmückt, die anderen beiden zu Bibliothekswänden hergerichtet.
Meyerhöffer stand auf und wir begrüßten uns mit Handschlag. Er wies mir einen
Platz an und ich setzte mich.
    »Sie wollen Ihr Honorar einfordern, nehme ich an?«
    »Genau das ist meine Absicht.«
    Er faltete die Hände und presste die Fingerspitzen gegeneinander.
»Und warum in aller Welt sollte ich zahlen, können Sie mir das verraten?«
    »Weil wir es ausgemacht hatten.«
    »Sie sind naiv. Und jetzt denke ich, dass unsere Unterhaltung beendet
ist.«
    »Nicht so schnell. Das Bild dort, dahinter war das Papyrus
versteckt, nicht wahr?«
    Ich wies auf eines der Gemälde, es war genauso, wie in Mihailovics
Akten vermerkt. Allerdings war es tatsächlich ein Meisterwerk. Der Maler hatte
wirklich nur mit Licht gemalt, man konnte förmlich den schweren Duft der
Heublumen in der drückenden Sommerhitze eines ukrainischen Tages riechen. Die
Gans stolzierte durch das hohe Gras, mit aller Würde und Freude, die ihrer Art
gegeben war. So musste Gott die Welt gedacht haben, bevor er sie erschaffen
hatte. Danach musste irgendetwas schiefgelaufen sein.
    »Was meinen Sie?«
    »Spielen Sie nicht den Unwissenden. Das steht Ihnen nicht, Sie
wirkten ohnehin immer schon ein wenig langsam.«
    »Das muss ich mir von Ihnen nicht sagen lassen, verlassen Sie mein
Haus!«
    Meyerhöffer war rot geworden, seine Stimme überschlug sich
beinahe. Ich beschloss, eine weitere Theorie zu überprüfen, wenn ich schon hier
war. »Was hat eigentlich der Killer gekostet, der Berti unten im Burgenland
weggepustet hat? Hätten Sie sich schenken können, das Papyrus hatte er nicht
mehr. Hätten Sie eigentlich wissen können.«
    Meyerhöffer schaute mich verdutzt an. Irgendwie wollten ihm die
Wörter nicht mehr über die Lippen kommen. »Das können Sie nicht beweisen! Damit
können Sie mich nicht erpressen!«
    »Will ich auch gar nicht, das wäre unter meinem Niveau. Ich hab
mit Ihnen was ganz anderes vor.«
    »Ihr Übervater lebt jetzt auf Menorca, hab ich gehört. Der wird
Ihnen nicht mehr nützen können.«
    »Den brauch ich jetzt gar nicht mehr. Aber das werden Sie noch
alles früh genug mitbekommen.«
    Ich stand auf und ging zur Tür. Den Knauf in der Hand, drehte ich
mich um. »Schöne Tage noch, bis es so weit ist.« Dann schloss ich die Tür
hinter mir. Im Wohnzimmer saß die Tochter, sie stand auf und kam auf mich zu.
    »Ist Ihre Arbeit nun erledigt?«
    »Kann man so sagen.«
    »Übrigens habe ich Sie angeschwindelt und Ihnen nicht alles
erzählt, als wir damals in meinem Zimmer miteinander gesprochen haben.«
    »Ich weiß, Sie haben mir nichts von Ihrem Verehrer gesagt. Um
dessentwillen Sie bei Slupetzky waren.«
    »Verstehen Sie doch, wenn ich was gesagt hätte, hätten Sie ihn
gefunden und …«
    »… und dann wäre Lawrentje jetzt noch am Leben«, beendete ich
nicht ohne Härte ihren Satz.
    Sie starrte mich fassungslos an. »Das kann doch nicht sein, er ist
einfach nur untergetaucht und in ein paar Wochen meldet er sich bestimmt
wieder.«
    »Ihr Lawrentje war nicht so ein Musterknabe. Sie waren nur
interessant, weil Ihr Vater mit dem Papyrus in Verbindung stand. Sobald er das
Stück in seinen Händen gehabt hätte, wäre er wieder verschwunden.«
    »Das glaube ich nicht, er hat mich geliebt.«
    »Deswegen hat er Sie auch mit der Mordwaffe allein gelassen? Hätte
nicht ich Sie gefunden, sondern ein anderer, wären Sie jetzt schon im Knast.«
    »Ich glaube Ihnen nicht. Er lebt.« Mit leicht verweinten Augen
brüllte sie mich an.
    »Da sagt die Polizei was anderes und bei all den Fehlern der
Exekutive: Leichen identifizieren kann sie.«
    Damit ließ ich sie stehen und ging in die Küche. Aus dem
Augenwinkel sah ich sie noch in Tränen ausbrechen. Armes Mädchen. Sie hatte
alles getan, um ihn zu schützen, war dabei aber von Vater und Freund einfach
nur benutzt worden. Ich konnte ihr nicht helfen.
    Ivanka saß in der Küche auf einem Hocker und sah zum Fenster
hinaus. Es war einer jener Apriltage, die warm wie der Mai sind und nach
Frühling duften. Das Fenster stand offen und die klare Luft trug viel Hoffnung
mit sich. Ich ließ die Leichen im kalten März zurück
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