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Pallieter

Pallieter

Titel: Pallieter
Autoren: Felix Timmermans
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Finger jenseits der Nethe, zwischen den Bäumen, unter den Mühlen und neben dem Beginenwald. Sie streuten die edle Saat. Wind wehte, und Sonne war da. Das war der erste Segen, und die willige Erde empfing die Saat, war glücklich und berauscht davon, denn wieder konnte sie im Überfluß gebären, all die Millionen Saatkörner zu ihren Kindern zu machen. Mutter sein... Viele Bauern waren beim Kartoffellegen, und dort fuhren die Jauchefässer und Wagen hin und her und verbreiteten weit ihren starken Geruch. Die Schlüsselblumen legten ihr Gold neben die Gräben. Pallieter pflückte ein Sträußchen und steckte es an den Hut.
    Die Kühe waren wieder in den Wiesen und die Schwalben am Himmel.
    Ohne Aufenthalt kamen Wolkenschatten von dort hinten dunkel herangezogen, gefolgt von heller, nasser Sonne. Pallieter betrachtete das alles voller Bewunderung. Ach, er war so glücklich über all die neue Herrlichkeit; über die Sonne und den Wind, über die Rückkehr des Frühjahrs, über das volle, freie Leben!
    Ach, es war so schön, so heilig und so gut! Und gerade da sah er einen Jäger, der gebückt auf einen Goldfasan zuschlich. »Verdammt!« sagte Pallieter, und er wollte gerade in die Hände klatschen, um den Vogel auf zu jagen, als dem Jäger der Hut vom Kopfe fiel. Da bekam Pallieter einen hübschen Einfall. Er lief schnell auf den Hut zu, schob einen frischen Kuhfladen hinein und legte ihn fein säuberlich wieder hin. Der Vogel flog auf, und der Jäger merkte, daß er den Hut verloren hatte. Er suchte und fand ihn und wollte ihn aufsetzen, aber als er sah, was drin war, schmiß er ihn auf den Boden, stampfte darauf herum wie ein rasender Narr und ballte die Fäuste nach den Kühen. Pallieter stand hinter einem Holzhaufen und lachte sich fast einen Bruch.
    Als er nach Hause kam mit den verwelkten Blumen am Hut, wehte die weiße Fahne zu Ehren des guten Wetters, und Mariechen hatte im Garten den Springbrunnen aufgedreht, der nach dem ganzen langen Winter wieder silberig seine frische, kühle Wasserfeder in die Höhe spie.
    Charlot war mit Mariechen dabei, Eier und Apfelsinen im Garten zu verstecken, die Franzoos Kinder gleich, wenn die Glocken wieder läuteten, suchen sollten.
    Pallieter hatte gestern alle Eier angemalt. Alle Farben waren vertreten. Es gab blutrote, buttergelbe, blaue, grüne, andere getüpfelt, gestreift, mit Schnörkeln und Kreisen. Es waren welche dabei mit einem Hähnchen drauf, mit einem Männchen, einer lachenden Sonne, mit Blumen und Bäumen. Alles in sehr starken Farben. Und wie sie nun dalagen in den Sträuchern, auf dem Boden, erschienen sie wie fremdartige Früchte, die auf einmal durch eine Laune der Sonne gewachsen waren.
    Charlot freute sich, daß alles fertig war, und sagte mit einem Seufzer:
    »Damit sind die Fasten herum, und die Glocken kommen wieder.«
    »Du bist doch nich dünner davon geworden!« lachte Pallieter.
    »Ich hab mir nix vorzuwerfen«, sagte Charlot stolz. »Ich hab nur einmal am Tag mich sattgegessen!«
    »Dann warst du auch jedesmal zum Platzen dick!«
    »Waas?« rief Charlot geärgert. »Wenns zuviel is, daß ich mal ein Butterbrot mehr ess’ wie gewöhnlich, dann will ich lieber Begine werden, viel lieber als wie mit euch in die fremden Länder ziehn, wo Menschenfresser und wilde Tiere wohnen! Verstehst du das? Du Lump, du Geizkragen!«
    »Ach, komm,« sagte Mariechen, »reg dich nich auf, Pallieter sagt das nur zum Spaß!«
    »Ich auch!« sagte Charlot kurz angebunden, und sie ging wieder in die Küche an ihre Arbeit. Sie hatte ihre Haube abgenommen, und ihr kleines Zöpfchen war nun wieder für den ganzen Sommer sichtbar. Sie trug ganz neue, glänzende, schwarze Holzschuhe, bemalt mit einem gelben Vogel auf einem grünen Zweig.
    Nach einem Viertelstündchen hatte sie den Streit schon vergessen und sang sich was:
    »Ich hab als Spielgenossen
    Ein Kätzchen noch so klein...«
    Pallieter ging mit Mariechen in den Garten.
    »Und durch diesen schönen Garten soll die Nethe gerade wie ein Lineal gezogen werden. Es is doch ein Jammer!« »Wenn du gern einen Garten haben willst, dann kannst du auch in unser Dorf kommen, da is es auch schön, und wir sitzen frei in Heide und Wäldern!«
    »Nein,« sagte Pallieter, »ich fühl mich wie ein Vogel: ich will überall wohnen! — Du gehst doch gern mit, mein Liebling?« fragte er zart nach einer Weile. Und sie schlug die großen Augen glücklich zu ihm auf, legte die Arme um seinen Hals und sagte:
    »Wenn ich nur bei dir bleiben
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