Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Pallieter

Pallieter

Titel: Pallieter
Autoren: Felix Timmermans
Vom Netzwerk:
Kaffee. Als das Wasser anfing zu singen, zu brummen und zu wallen, goß er es durch. Oh, der angenehme Kaffeeduft, der des Menschen Herz so wohltut! Er füllte die helle Frühjahrsstube ganz aus, und Pallieter stand da und schnüffelte ihn auf wie ein Hund.
    Draußen hellte es sich auf. Ein Sonnenstrahl fiel schräg durch das offene Fenster und glitzerte prächtig auf dem Messinggeschirr und auf dem goldbrokatenen Papageienmuster am Mantel eines wächsernen Marienfigürchens. Pallieter steckte schnell seinen Finger in den Lichtflecken und sagte: »Honig ist Dreck dagegen...« Er schnitt Brot, schmierte einen halben Finger hoch süße Butter darauf und holte aus dem Keller eine Schüssel voll frischer weißer Quarkkäse.

    Und im Garten, der noch naß war von Tau und mit Sonnenflecken gesprenkelt, zupfte er Radieschen. Lubas und seine vier Jungen kamen aus einem Faß geschossen und sprangen ihm bellend um die Beine. Er gab jedem ein Stück Zucker, und dann liefen sie wie toll über die nasse Bleiche. Während er Radieschen wusch, kam Petrus, der Storch, mit einem silbernen Fisch in dem roten Schnabel auf sein Nest geflogen, wo seine Frau auf Eiern saß.
    Als alles fürs Essen bereit war, stellte er sich in die Hintertür und sah über das Land, das in der Sonne sichtbar wurde. War das nicht ein angenehmes Augen- und Nasen- und Ohrenfest, diese hellgrüne, duftende Ferne von dem glitzernden Wasser der Nethe durchzogen und mit Kuckuck-, Hahn- und Vogelstimmen darin?
    Pallieter machte auch die Vordertür auf, so daß sofort ein frischer Wind durch den Gang strömte und er die neu erleuchtete Welt auf zwei Seiten sah. Hier die Fernsicht auf Wiesen und Felder mit blauen Wäldern und Windmühlen am Horizont, und durch die Vordertür den prächtigen Wall, den Beginenhof und hinter blühenden Gärtchen und höckerigen Dächern den gelben Sankt-Gommarus-Turm, der gerade in kleinen schnellen Schlägen ein Viertel hämmerte.
    Die hellen Glockenklänge waren wie der frohe Mund des Landes.
    »Es dauert nich lang genug«, sagte Pallieter, und er faßte das Glockenseil im Gang und fing an so heftig daran zu ziehen, daß die Glocke im Türmchen fast keine Zeit hatte, hin und her zu fliegen; und der mächtige Klang tönte summend über das weite, morgendliche Land. Er zog, ohne aufzuhören, zog, als ob man es bis ans Ende der Welt hören sollte, und lachend blickte er abwechselnd auf den Beginenhof und die Wiesen. Danach hißte er zur Ehre des guten Wetters im Vorgarten eine breite, weiße Fahne, in der der Wind flatterte und die Sonne spielte.
    Es war überwältigend, dem Überfluß von mächtigem Vogelgepfeife und Gezwitscher in den breiten Alleebäumen zu lauschen.
    Und dort kam Charlot mit dem Frieden Gottes auf dem Gesicht aus der Messe zurück, mit drei Gebetbüchern unter dem Arm. Als Pallieter sie sah, sang er ihr zu:
    »Sag, Kwisselchen, willste tanzen gehn...«
    »Es gibt schön Wetter, Vetter.«
    »Heilig Wetter, wo die Kwissels nich hineinpassen!«
    »Ich bin kein Kwissel!« »Da biste zu dick dazu! Warum ißte nich ein bißchen weniger?«
    »Darum!« sagte sie böse. Sie ging in die Küche, um ihr Kleid auszuziehen, und kam zurück in die Frühjahrsstube in einem blauen Barchentrock und einer roten Nachtjacke, aus der ihre dicken Arme prall und fettglänzend herausquollen.
    Und sie tranken Kaffee, schmierten den Quarkkäse zwei Finger dick auf die langen Butterbrote, tunkten die rettichduftenden Radieschen in den Käse und ins Salz und schleckten und schmatzten wie zwei saugende Kinder. Unterm Essen blickte Pallieter unaufhörlich nach dem riesigen Felderbauch, über dem die Sonne aufging.
    Die roten Flügel der Mühlen drehten sich in dem frischen Wind, der den Nebel weggefegt hatte und runde, weiße Ballonwolken durch das Blau des Himmels jagte; und der Duft der weißen und lila Nägelchen vor dem Fenster zog über den Tisch.
    Pallieter spülte das letzte Essen in den Magen und rief, die Arme schwenkend, während Charlot mit niedergeschlagenen Augen ein Vaterunser betete:»O Herr, meine Schenkel werden leicht wie Stroh und wollen springen wie Heuschrecken. Es ist, o Herr, als ob du mir eine Orgel in den Bauch gesetzt hättest!« Er ging hinaus, öffnete Tauben- und Hühnerställe und streute Hände voll Hanfsamen, spanischen Weizen, Reis, Hafer und Korn aus. Und auf einmal war da ein Durcheinander, Gezänke und Gegacker und Flügelschlagen. Da waren Tümmler und Möwentauben, Hähne, Hennen, Gänse, Truthühner und ein
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher