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Pallieter

Pallieter

Titel: Pallieter
Autoren: Felix Timmermans
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windstillen Abendluft stand.
    Eine tiefe Stille und eine angenehme Kühle fiel über das Land, in den Häusern gingen die Lichter auf und an dem gleichmäßig blassen Himmel die Sterne.
    Ein blauer, lichter Traum wand sich vor die Fernen...
    Bei dem Lampenlicht wurde gierig Schweinebraten mit ,Pommes frites’ gegessen, die Franzoos dicke Frau gekocht hatte und kundig bereitet mit scharfen Saucen, Nelken, Lorbeerblatt und duftendem Thymian. Franzoos Kinder hatten Angst vor den wilden Kerlen, schrieen Mord und Brand und flogen in die Betten. Als die Zigeuner sich voll gegessen und noch einmal alten ,Diester* nachgegossen hatten, sagte Pallieter: »Jetzt macht euer Buch auf!« Sie gingen hinunter, Franzoos Frau folgte.
    Die Nacht war über der Erde. Hoch und zahlreich wie Sand am Meer bleichten die hellen Sterne am dunkeln Himmel. Die Stille war eins mit der Erhabenheit der Nacht. Franzoo machte auf dem Mühlenberg ein großes Feuer an, das die Mühle von unten hell erleuchtete, während der Rumpf sich in der Dunkelheit versteckte und einen schwarzen Block auf den hellen Sternenhimmel zeichnete.
    Das Feuer krachte und knisterte, die Glut erleuchtete die vier Zigeuner, wild wie Teufel. Und immer schweigend, nur antwortend, wenn man sie ansprach, saßen sie da und starrten in das Feuer.
    »Fangt nur an!« sagte Pallieter, der sich bäuchlings auf ein Strohbündel gelegt hatte. Und dann begannen die drei Dudelsäcke zu summen und zu brummen, und die wie aus Schilfrohr klingenden Hoboentöne zitterten hell darüber und darauf und darum, wie ein Regen von Tönen. Und vor Pallieters gespanntem Blick erhoben sich leidenschaftliche spanische Tänze, wehmütige russische Lieder, starke Gesänge aus den Bergen und schleppende Lieder aus den bretonischen Ebenen. Die ganze Welt zog in Tönen vorbei, rührend, lustig, wehmütig, klagend und sanft.
    Er lauschte ergriffen; es war etwas Einzigartiges in seinem Leben! Seine Hände waren rot von dem flackernden Feuer, über ihm erhob sich ungeheuer wie ein Riese die schwarze Mühle, und vor ihm lag die hellbesternte Nacht und das düstere, dunkle Land.
    Oh, wie war das herrlich! All die wunderlichen Lieder aus fernen Ländern, wo nun auch überall die große Nacht herrschte und ein jeder schlief, durch Zigeuner hier in der Dunkelheit aufblühen zu hören neben einem flammenden Feuer und sie hinsummen zu hören über das schwarze Land der Nethe, über dem Millionen von Sternen erglänzten, unter dem mächtig und selig der neue Frühling brütete!
    Pallieter überlief es kalt vor Rührung, und Tränen tropften auf seine Hände. Er würde nun auch die Welt sehen!
     
    Charlot schlief schon lange, und Mariechen stand noch im Garten. In der ruhigen Nethe spiegelten sich die Sterne. Mariechen lehnte über der Hecke und sah und lauschte in die dunkle Nacht hinaus, wo irgendwo ein Feuer brannte und Dudelsäcke brummten.
    Da wußte sie ihren Mann Pallieter, denn so etwas gehörte zu ihm. Da wußte sie ihn, den sie so groß und stark lieb hatte. Sie hatte den ganzen Tag auf ihn gewartet, doch würde er noch nicht kommen, denn dort bei dem Feuer war er glücklich; sie wußte, daß so etwas ihn glücklich machte. Aber sie wußte, daß er sie auch lieb hatte und wohl an sie dachte, während er der nächtlichen Musik beiwohnte. Ja, das fühlte sie, das machte sie selig und trunken, und sie hätte nun an seiner Brust ruhen und einschlafen mögen, gewiegt von der frommen, rührenden Musik.
    »O Tagemelker!« seufzte sie voll ungekannter Wollust, und sie blieb stehen und lauschte auf die Dudelsäcke, die weit weg in der dunkeln Frühlingsnacht brummten.

 
     
     

Die Glocken von Rom
     
    P allieter lag auf dem Rücken im Gras und schaute dem stolzen Wandern und Wachsen der Wolken zu; es war gewaltig! Seine Augen umfaßten den ganzen durchwühlten Märzhimmel. Es waren tolle Wolken, die ihre Form immer wieder wechselten und veränderten, und jede Minute machte den Anblick des Himmels neu. Dort oben klemmte sich eine dunkle Masse Blockwolken zusammen, bleigrau und von Hagel und Regen schwanger. Sie steuerte an der Sonne vorbei, riß alles in ihrer stolzen Fahrt mit, aber sie stieß gegen einen riesigen weißen Wolkenberg, brach entzwei, wurde zerrissen und in blaßblaue Streifen gezogen, die höher und höher am Himmel hinaufkletterten und sich zu guter Letzt ganz oben als kleine weiße Wölkchen festgeklammert hatten. Inzwischen war hinter der Erde eine rosige Bergkette heraufgewachsen, die sich am
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