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Pallieter

Pallieter

Titel: Pallieter
Autoren: Felix Timmermans
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strich über den Hof und ruderte in die Felder hinein.
    Die Felder mit dem blassen Licht darüber! Pallieter sah sie da liegen, durch die schwarze Dornhecke hindurch, mit Bauern und Pferden auf dem Land und Segelschiffen auf der Nethe!
    »Ich geh spazieren! Riech nur!« sagte Pallieter. Ein kurzer starker Wind säte eine Ladung frischen Erdgeruch, vermischt mit Jauche, über den Garten.
    »Kocht mir Gemüsesuppe, ich trinke keinen Kaffee!« Er ging in die Küche. Mit einem Butterbrot in der Hand und mit einem Anlauf und einem Sprung war er über der Hecke auf dem Weg. Lubas tats ihm nach, lief voraus und bellte ausgelassen. Als das Butterbrot verzehrt war, steckte Pallieter sich die Pfeife an und sah zufrieden, wie der blaue Rauch in rundrollenden Ringen zusammenblieb.
    Gierig zog er die frische Luft in die Nase und blickte mit großen Augen über die weite Landschaft. Ferne Mühlen, die Kreuze schlugen, und Kirchen und Gehöfte sah er nun, wo er sie im Sommer durch das Übermaß von Laub nicht einmal vermutet hatte.
    Er fühlte sich verjüngt. Sein Herz war erstickt vom Zuhausesitzen, und es klopfte und sehnte sich danach, von dem guten Atem der Felder bespült zu werden. Nur hier und da erklang das Echo von einem Beilschlag und das klare Krähen der Hähne. Sonst war es still. Es war still und doch voll von verhaltenem Leben, das wieder am Schaffen war und aus dem Schlaf erwachte.
    Pallieter fühlte und schmeckte und roch und sah das Leben. Er fühlte es in sich wie einen schweren Pulsschlag, der durch die Welt ging und bei jedem Schlag sein Herz rührte.
    Das machte ihn ganz glücklich. Er wurde stark und groß und fing an mitzusingen nach der Melodie des Glockenspieles, das langsam, von einem ruhigen Wind getragen, ein altes, schönes Liedchen über diese Seite der Felder streute. Es waren Töne wie von schwerem Gold und springendem Silber, und in der Ferne pfiff ein Bauer das Liedchen mit.
    Er kam an eine überschwemmte Wiese. Eine Möwe flog schreiend darüber, mit ruhigen, offenen Flügeln, und Lubas, der das sah, streckte die Nase schnüffelnd in die Luft und lief dann in das Wasser, das um ihn aufspritzte in Strahlen und Tropfen. Pallieter blieb stehen und blickte nach dem fernen Nethedeich, wo Leute, klein wie Ameisen, eine Reihe Bäume fällten.
    »O weh, die Bäume, und gerade als sie neues Blut bekommen sollten! Aber das Leben stirbt nich, dort kommt es schon zurück!«
    Und auf dem hohen Feld ging hinter zwei Ochsen, die den Pflug zogen, eine hochschwangere Frau und streute Samen in die Erde. Pallieter zog die Schuhe aus und watete durch die überschwemmte Wiese. Am Himmel erschien ein blauer Raum, und auf einmal warf die Sonne durch einen Wolkenritz ihr goldenes Licht auf den fernen, schwarzen Beginenwald, und siehe! der schwarze Wald wurde purpurrot im Sonnenglanz und blieb so eine Weile leuchtend im Land. Auf
    einem Weg, der blond hineinlief und sich dunkel hinter die Baumstämme schlängelte, gingen zwei Menschen, ein Mann und eine Frau, jedes mit einem Sack auf dem Rücken. Dann rief dort hinten ein Kuckuck, und der Himmel schloß sich wieder.

     
    »Oh!« jauchzte Pallieter tanzend. »Die Knospen schwellen wie Mütter!«
    Es war der Lenz, der aufsprang, das erste Sichrühren des Lebens der Erde. Es zitterte durch die Welt, nichts hatte es aufhalten können. Die Gewalten des Himmels hatten Tag und Nacht darauflos gehauen wie Sankt Georg auf den Drachen. Der Leib war geschunden bis aufs Blut, aber die Seele, die göttliche Seele war rein und unangetastet geblieben und richtete sich wieder auf, um aufzubrechen in allem, was von der Erde war. Das Leben kehrte wieder, stark und reich wie früher, um zu leben, nichts als zu leben!..
    Dort schor ein Hirte die Wolle von seinen Schafen, und während die einen noch mit ihrer schmutzigen, dicken Last in der Hürde warteten, liefen die Geschorenen weiß wie Buttermilch lustig blökend herum, froh über die reine Luft, die ihnen nun den freien, bloßen Rücken und Bauch erfrischte. Überall hing der Duft des erwachenden Holzes wie ein schwerer Balsam, und überall klang das Klopfen der Beile und Hacken. Ein ferner Schmiedehammer erhöhte die herrliche Stimmung. Pallieter kam in ein Wäldchen, da lagen die faulen Blätter zusammengedrückt, und ein großer Vogel flog kreischend vor ihm auf. Er roch das Leben, das unter dem Boden und in den Bäumen quoll. Er betastete die Bäume, um es zu fühlen. Er konnte die Augen nicht abwenden und stand mit offenem Mund
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