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Ostsee-Storys

Ostsee-Storys

Titel: Ostsee-Storys
Autoren: Michael Augustin
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wieder zu betonen pflegte, seine Berufung mitten im Krieg ein paar Seemeilen südöstlich vor Bornholm in einer Tauchtiefe von einhundertzwanzig Metern unter dem Meeresspiegel des Baltischen Meeres an Bord eines Unterseeboots erhalten hatte. Was ist denn eine Berufung?, fragte Limmer, ohne sich zu melden. Wenn du die Stimme Gottes vernimmst!, sagte der U-Boot-Pastor. Aber das erzähl ich euch mal genauer, wenn ihr ein bisschen reifer seid. Und beim nächsten Mal, Limmer, hebst du gefälligst die Hand und meldest dich, bevor du drauflosplapperst!
    Fast anderthalb Jahre lang hatten wir den U-Boot-Pastor in Religion, und als unser letztes Stündlein mit ihm gekommen war und schon die Sommerferien lockten, meldete sich Limmer plötzlich vorschriftsmäßig und fragte ihn, was er ihn schon lange hatte fragen wollen, wie das nämlich genau gewesen sei, damals mit der Berufung. Eine schreckliche Geschichte, sagte der Pastor, aber ihr seid ja jetzt groß genug, alles zu hören. Wir befanden uns auf Feindfahrt damals, vor Bornholm, und waren, nach etlichen Tagen unter Wasser, aufgetaucht. Bei glasklarer Sicht in eiskaltem Wetter, und einer der Offiziere war aus der Luke den Turm runtergeklettert und hatte die Außenhaut unseres Bootes inspiziert. Dann war er noch am Heck stehen geblieben, um noch einmal tief durchzuatmen und, ja, … Der U-Boot-Pastor räusperte sich. Na ja, um zu pinkeln, ins ruhig und ebenmäßig daliegende Wasser der Oostsee (er sagte tatsächlich Oostsee!) zu pinkeln. Er hatte sich wohl gerade die Hose aufgeknöpft, als es vom Mann im Turm urplötzlich Alarm gab, weil sich vom Horizont her ein Tiefflieger näherte. Die Luke wurde sofort geschlossen, und wir tauchten ab. Der U-Boot-Pastor machte eine Pause und guckte in die Runde. Und unser Kamerad ist dann wohl leider draußen auf See ertrunken. Und das, meine Lieben, war genau der Moment, da ich die Stimme Gottes vernommen habe. Der Moment meiner Berufung. Wieder blickte er uns an und schwieg feierlich. Und was hat Ihnen die Stimme denn nun gesagt?, fragte einer von uns, der es gar nicht mehr abwarten konnte. Doch bevor der U-Boot-Pastor zu einer Antwort ansetzen konnte, platzte es aus Limmer heraus: Das ist doch klar, rief er, was soll der schon gesagt haben? Das Pinkeln in der Öffentlichkeit ist bei Strafe verboten! Für endlose Sekunden war es totenstill in der Klasse. Der U-Boot-Pastor starrte auf Limmer. Wir starrten auf den U-Boot-Pastor. Der ohne ein weiteres Wort aus dem Klassenzimmer stürzte. Und dann lachten wir los. Bis es klingelte und die großen Ferien anfingen.



I Feel Fine
    Immer wenn ich dieses fabelhafte kleine Gitarrenintro höre, das dem Beatles-Titel I Feel Fine vorausgeht, muss ich an meine Schulzeit in Lübeck denken. Ich war damals dreizehn und sollte zu Beginn des neuen Schuljahres, wie die anderen in der Klasse auch, einen Aufsatz über Mein schönstes Ferienerlebnis schreiben. Eine wahrhaft originelle Idee des Lehrers. Einer aus meiner Klasse war mit seinen Eltern nach Italien gefahren, einer hatte Urlaub in Jugoslawien gemacht, und zwei hatten ihre Ferien in Österreich verbracht. Darüber ließ sich bestimmt was schreiben. Aber ich war, wie jedes Jahr, mit den Eltern und der kleinen Schwester nur bis nach Travemünde gekommen. Nicht unbedingt der Stoff, aus dem die tollen Storys gemacht werden. Also schrieb ich einfach los und verlegte mein schönstes Ferienerlebnis auf die andere Seite des Atlantiks, nach New York, wo ich nämlich von den zufällig ebenfalls gerade dort anwesenden Beatles gebeten worden war, sie bei einem Auftritt in der Carnegie Hall zu unterstützen – und zwar, indem ich das Gitarrenintro zu I Feel Fine spielen sollte. Das habe ich dann alles ganz natur- und detailgetreu beschrieben und bekam für den Aufsatz eine brauchbare Zweiplus, immerhin!! Aber – und das ist jetzt eine echte Sauerei – meine Eltern mussten beim nächsten Lehrersprechtag antanzen und sich auffordern lassen, meine, wie man angesichts des schönsten Ferienerlebnisses sehen könne, überbordende und schon ziemlich bedenkliche Fantasie doch lieber etwas unter dem Deckel zu halten. Worauf meine Eltern, was ich ihnen hoch anrechne, nur sagten, das möge der Herr Studienrat man gefälligst ihre Sorge sein lassen. Insofern blieb die Geschichte ohne Folgen. Das heißt: Irgendwie muss vonseiten des Paukers Druck auf die Beatles ausgeübt worden sein. Die haben mich nämlich nie wieder mitspielen lassen!



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