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Mehr als nur Traeume

Titel: Mehr als nur Traeume
Autoren: Jude Deveraux
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1
    England,
    1988
    Dougless Montgomery saß im Fond des Wagens; Robert und seine pummelige dreizehn Jahre alte Tochter Gloria nahmen die Vordersitze ein. Wie üblich futterte Gloria unentwegt. Dougless bewegte ihre schlanken Beine, um sich ein wenig mehr Platz inmitten Glorias umfangreichen Gepäcks zu verschaffen. Sechs große, teure, zu einer Kollektion gehörende Koffer, die Glorias Habseligkeiten enthielten, hatten nicht in den Gepäckraum des Mietwagens hineingepaßt und waren deshalb neben Dougless auf dem Rücksitz gestapelt.
    »Daddy«, wimmerte Gloria wie ein vierjähriges invalides Kind; »sie zerkratzt mir die hübschen Koffer, die du mir gekauft hast.«
    Dougless ballte die Hände zu Fäusten, daß sich die Fingernägel in die Handteller bohrten. Sie. Man gönnte ihr nie einen Namen. Es hieß immer nur sie.
    Robert blickte über die Schulter zu Dougless zurück, deren kastanienbraunes Haar gerade noch sichtbar war. »Du könntest ja wirklich etwas mehr Rücksicht auf ihr Gepäck nehmen, denke ich.«
    »Ich habe nichts zerkratzt, okay? Ich sitze hier nur sehr unbequem. Da ist kaum Platz neben den Koffern.«
    Robert seuftze schwer. »Dougless, mußt du dich denn dauernd beschweren? Kannst du nicht wenigstens einmal im Urlaub friedlich sein?«
    Dougless schluckte ihren Ärger hinunter und strich sich über den Magen. Er tat wieder weh. Sie wagte nicht, Robert darum zu bitten, anzuhalten, damit sie eine Librax nehmen konnte, um ihre Magenbeschwerden zu lindem. Sie blickte hoch und bemerkte Glorias hämisches Grinsen im Schminkspiegel der Sonnenblende. Dougless sah aus dem Seitenfenster und versuchte sich auf die Schönheit der englischen Landschaft zu konzentrieren.
    Grüne Felder zogen vorbei, alte Steinmauern, Kühe und noch mehr Kühe, malerische kleine Häuser, prächtige Landsitze und . . . und Gloria, dachte sie bei sich. Überall Gloria. Robert pflegte immer nur zu sagen: »Sie ist doch noch ein Kind, und ihr Daddy hat sie verlassen. Zeige ihr wenigstens ein bißchen Mitgefühl. Sie ist wirklich ein süßes Ding.«
    Ein süßes Kind. Mit dreizehn trug Gloria mehr Make-up auf dem Gesicht als Dougless mit ihren sechsundzwanzig Jahren - und sie verbrachte Stunden im Hotel-Badezimmer, um sich zu schminken. Gloria saß auf dem Beifahrersitz. (»Sie ist doch nur ein Kind, und es ist ihre erste Englandreise.«) Dougless sollte die Straßenkarte lesen und auf die Wegweiser achten; aber daß ihr Glorias Kopf die Sicht versperrte, schien nicht wichtig zu sein.
    Dougless versuchte sich auf die Landschaft vor dem Seitenfenster zu konzentrieren. Robert meinte, Dougless wäre auf Gloria eifersüchtig, wollte ihn nicht mit einem anderen Menschen teilen; aber wenn sie nur etwas gelassener reagieren würde, könnten sie doch eine sehr glückliche Familie sein. (»Eine zweite Familie für ein kleines Mädchen, das so viel verloren hatte.«)
    Dougless hatte versucht, Gloria zu mögen. In dem Jahr, das sie nun mit Robert zusammenlebte, hatte sie Gloria zum Einkaufen mitgenommen und mehr Geld für sie ausgegeben, als sie sich das mit ihrem bescheidenen Einkommen als Volksschullehrerin eigentlich leisten konnte. Abend für Abend war Dougless in Roberts Haus bei Gloria geblieben, während Robert Cocktail-Parties und Diners besuchte. (»Es wird Zeit, daß ihr beiden Mädchen euch besser kennenlernt.«)
    Zuweilen glaubte Dougless sogar, daß Roberts Rechnung aufgehen könne; denn wenn sie mit Gloria allein war, wurde deren Umgangston herzlich, wenn nicht sogar freundschaftlich. Aber sobald Robert auf der Bildfläche erschien, verwandelte sich Gloria in einen jammernden, verlogenen Fratz. Sie setzte sich auf Roberts Schoß - ein wimmerndes, hundertfünfundfünfzig Zentimeter langes Hundertundvierzig-Pfund-Gewicht - und plärrte, sie wäre gemein gewesen. Anfangs hatte Dougless Glorias Anschuldigungen zurückgewiesen, hatte sich mit dem Hinweis verteidigt, sie liebte Kinder, was schon die Tatsache belegte, daß sie Volksschullehrerin geworden war; denn des Geldes wegen hätte sie diesen Beruf sicherlich nicht ergriffen. Aber Robert glaubte immer nur Gloria. Robert sagte, Gloria wäre ein unschuldiges Kind und nicht zu diesen Gemeinheiten fähig, die Dougless dem armen Kind unterstellen wollte. Er sagte, er könne nicht verstehen, daß ein erwachsener Mensch wie Dougless seine Wut an so einem kleinen Kind auslassen mochte.
    Wenn Robert ihr diese Vorhaltungen machte, schwankte Dougless zwischen Empörung und schlechtem Gewissen.
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