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Ostsee-Storys

Ostsee-Storys

Titel: Ostsee-Storys
Autoren: Michael Augustin
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wirklich ein Weltrekord gewesen wäre, weiß ich nicht. Ist ja eigentlich ganz egal. Immerhin haben wir’s versucht, wenn auch vergeblich. Ob man aber deshalb aus Frust gleich eine ganze Flasche Rum auf ex trinken muss, wage ich immer noch zu bezweifeln. Der Notarzt jedenfalls meinte, dass der Fette Feuer dabei durchaus hätte draufgehen können. Bei einem normalen Vierzehnjährigen hätte das ex und hopp bedeutet!, sagte er. Ihr habt Glück, dass euer Mitschüler recht korpulent ist . Den Fetten Feuer hatten sie gleich ins Ostseekrankenhaus gekarrt, und die beiden Dorfbullen hatten uns erst mal mit auf die Wache genommen, wo uns eine Stunde später Katters Vater mit seinem Lieferwagen abholte. Den ganzen Weg zurück nach Lübeck war er am Rumzetern und hatte Katter zur Begrüßung gleich eine gelangt. Du bist wohl völlig bescheuert!
    Dabei ist ja eigentlich Berni auf die Idee gekommen. Wegen des verdammten Dauerregens waren wir kurzerhand vom Zeltplatz an diesem gottverlassenen Strand in die nächste Dorfkneipe weiter landeinwärts übergesiedelt, denn da gab es immerhin eine Musikbox. Fast nur der letzte Dreck drin: Rex Gildo, Manuela, Freddy. Ekelhaftes Zeug eben. Bis auf diese eine Scheibe von den Kinks. Los, Leute!, quietschte Bernie, Wir stellen ein’ Weltrekord auf! Hundertmal hintereinander Dedicated Follower of Fashion. Auf die Plätze, fertig, los! Und schon waren seine zwei Groschen in der Box verschwunden. Die Platte senkte sich auf den Teller, und es war gleich Leben in der Bude. Nach dem fünften, sechsten Mal fingen die drei alten Opas am Tresen an rumzumaulen. Aber wir fütterten immer fleißig nach. Ey, wisst ihr was? Wir schreiben an die Kinks und erzählen denen das von unserm Weltrekord. Vielleicht laden die uns ja ein! Wir waren begeistert. Genau!, brüllte Müller, ich hab zu Hause die Adresse von den Kinks. Die stand in der Bravo!
    Die olle Wirtin, die uns erst kein Bier zapfen wollte, ließ sich endlich breitschlagen, wahrscheinlich, weil sie gesehen hatte, dass Katter einen Fünfzigmarkschein bei sich trug. Aber glaubt ja nicht, dass ihr euch hier die Hucke vollsaufen könnt. Für Minderjährige gibt’s hier eigentlich keinen Alkohol … Uneigentlich gab’s ihn aber doch, und die Kinks wurden irgendwie immer lauter und besser. Sag mal, Katter, du kannst doch so gut English. Was heißt das denn auf Deutsch … dedi-ca-ted fol-low-er of fa-shion? Wusste er auch nicht. Was uns nicht weiter störte, denn die Hauptsache war ja sowieso die Musik. Und die war richtig gut. Auch beim sechsundzwanzigsten Mal noch. Cause he’s a dedicated follower of fashion! Oh yes, he is, oh yes, he is! Den drei Alten war es längst zu viel geworden, und sie hatten sich verdrückt. So richtig gut gefiel das der ollen Wirtin nicht, das konnte man merken, aber viel getrunken hatten die sowieso kaum. Da waren wir doch irgendwie die besseren Kunden. Sie wechselte willig unser Taschengeld in kleine Münzen, und die Kinks machten immer weiter. Achim trank nur Cola und hatte das Zählen übernommen, den Weltrekord-Countdown , wie er sagte. Achtundvierzig!, verkündete er wie ein Sportreporter, und ich war mit dem Bezahlen dran, als wir die Fünfzigergrenze überschritten. They seek him here, they seek him there … – Wir sind jetzt eine halbe Stunde vom Weltrekord entfernt!, erklärte Katter gut zwanzig Minuten vor Mitternacht. Woher willst du das denn wissen?, quäkte Müller. Na, ist doch klar! Das Stück ist drei Minuten lang, wir sind gleich bei Runde neunzig …wie viel bleibt da also? Katter, der Schlaumeier. Jetzt ist aber langsam mal wieder der Fette Feuer dran!, bemerkte Berni etwas gereizt. Nicht so geizig, Fetten Feuer! Oder ist dir das Taschengeld ausgegangen? Der Fette Feuer war dran, ob er nun wollte oder nicht. Dreiundneunzig!, rief Achim, und der Fette Feuer steckte seine Münzen in den Schlitz. Die Platte senkte sich, und das Unglück nahm seinen Lauf. So kurz vor dem Weltrekord.
    Obwohl Musik den Raum erfüllte, fühlte es sich für einen Moment an, als wäre die ganze Welt zu einem halltoten Raum geworden, als wären tonnenschwere Watteballen vom Kneipenhimmel gestürzt. Was da tönte, das waren nicht die Kinks. Oh no! Rex Gildo sang. Ausgerechnet Rex Gildo. Der Fette Feuer , diese blöde Sau, diese hirnrissige Schweinebacke, hatte sich verwählt. Er hatte die falsche Kombination eingegeben. Rex Gildo! Das muss man sich mal vorstellen! Du Idiot! Du verdammter Mistkäfer! Du bist doch das größte
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