Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Osiris Ritual

Osiris Ritual

Titel: Osiris Ritual
Autoren: George Mann
Vom Netzwerk:
bereits gelegt. Newbury
hatte recht behalten. Die meisten vornehmen Leute hatten das notwendige Mindestmaß
an Interesse für den Inhalt des Sargs geheuchelt und, sobald die Pflichtübung
erledigt war, die Unterhaltung mit ihren Nachbarn wieder aufgenommen. Er ließ den
Blick schweifen und entdeckte den Gastgeber schließlich am Kamin, wo er ein
erregtes Gespräch mit Blake führte.
    Newbury beugte sich vor und strich abwesend sein Jackett glatt. »Ich
nehme an, das hat sie in eine Zwickmühle gebracht.« Er
nickte in die Richtung der zankenden Männer, die ihre Lederschürzen und die
bizarren Kopfbedeckungen nicht abgenommen hatten. »Ich möchte wetten, Blake
will innehalten und den inneren Sarg in aller Ruhe gründlich untersuchen,
während Winthrop den Gästen unbedingt etwas bieten möchte. Wenn ich den Mann
auch nur halbwegs kenne, dann wird er darauf bestehen, die Vorstellung
fortzusetzen.«
    Â»Ja, er würde das Ding wohl eher zerstören, als seine Gäste
unzufrieden nach Hause gehen zu lassen.«
    Â»Mister Purefoy, ich denke, Sie schätzen die Situation richtig ein.
Allerdings frage ich mich, ob Sie …«
    Â»Also wirklich, Winthrop! Es ist unerträglich. Ich will nichts mehr
damit zu tun haben!« Wilfred Blakes Ruf hatte Newbury
unverhofft unterbrochen. Der Mann hatte Winthrop lautstark angegriffen und
mühelos den allgemeinen Lärm übertönt. Der Gastgeber lehnte inzwischen am Kamin.
Hinter der Vergrößerungsbrille, die er sich über die Augen geklappt hatte, war
seine Miene nicht zu erkennen. Schweigen senkte sich über den Raum, als Blake
kehrtmachte und den Salon überstürzt verließ. Spätestens jetzt war allen Gästen
klar, dass er sich mit Winthrop überworfen hatte.
    Newbury und Purefoy wechselten einen Blick und nickten
verschwörerisch.
    Winthrop trat vor und hob beschwichtigend beide Hände. »Wir wollen
nun zu Ende bringen, was wir begonnen haben. Arthur?« Er winkte einen der
anderen Forscher heran, der bereitwillig kam, um Blakes Platz einzunehmen. Winthrop
wandte sich unterdessen an die Schar der Gäste. »Wir werden jetzt den inneren
Sarg aus der Hülle nehmen und anschließend die mumifizierten Überreste des
Königs enthüllen.«
    Die beiden Männer traten näher an den Sarg heran, griffen hinein und
tasteten eine Weile umher, bis sie den genau hineinpassenden inneren Sarkophag
packen konnten. Sie wechselten einen Blick, Winthrop zählte bis drei, und dann
hoben sie, vor Anstrengung schnaufend, das schwere Behältnis aus seiner
Umhüllung. Wie aus einem Munde keuchten die Zuschauer, als die ganze Pracht und
Schönheit des inneren Sargs zum Vorschein kam. Die Männer beförderten das Objekt
vorsichtig auf den Tisch und verschafften sich dann etwas mehr Platz, indem sie
den Deckel auf den äußeren Sarg schoben und beides hinter sich auf den Boden legten.
    Winthrop strich langsam über den Sarg. Man konnte es nicht leugnen,
es war ein beeindruckender Fund. Das Ding schien eine beinahe greifbare Aura zu
besitzen und fesselte die Aufmerksamkeit der versammelten Gäste. Viele hatten inzwischen
die müßigen Unterhaltungen schon wieder vergessen und sahen nun doch mit echtem
Interesse zu.
    Winthrop wandte sich an Arthur. »Sind Sie bereit?«
    Sein Kollege nickte.
    Sie fuhren mit den Fingern über die Dichtung zwischen dem Sargdeckel
und der Wanne. Dann, nach einem kurzen Blick zu der versammelten Menge, schoben
die Männer die Finger in den Spalt und hoben gemeinsam den Deckel ab. Dieser
hier löste sich ganz leicht. Auch Purefoy hielt vor Anspannung den Atem an.
    Nach dem strahlenden Äußeren war der Inhalt dann aber doch etwas
enttäuschend. Als Winthrop und sein Helfer den Deckel vorsichtig
beiseitelegten, konnte Purefoy in den Sarg spähen. Auf einem Bett aus
zerbröselndem Schilf lag eine menschliche Gestalt, die in vergilbte Leinenstreifen
eingewickelt war. Nur die Spitzen der krallenähnlichen Finger lagen frei. Die
Bandagen waren mit einem altmodischen Gekritzel versehen, das Purefoy nicht erkannte.
Die schwarzen, verblichenen Zeichen waren anscheinend gezeichnet worden, bevor
man den Toten eingewickelt hatte.
    Winthrop brauchte keine Pause, um über den nächsten Schritt
nachzudenken, noch hielt er sich mit der Pietät auf, die Purefoys Ansicht nach
beim Umgang mit einem Toten durchaus angebracht gewesen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher