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Osiris Ritual

Osiris Ritual

Titel: Osiris Ritual
Autoren: George Mann
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mitgebracht hatte, und wollte
natürlich keinesfalls die Enthüllung des Pharaos verpassen.
    Am Fuße der Treppe wartete er höflich und ließ eine Dame in wallendem
beigefarbenem Kleid aus einer privaten Kutsche aussteigen. Sie lächelte ihn
freundlich an, als er Platz machte und sie als Erste das Haus betreten ließ.
Dann beobachtete er, wie der Butler am Eingang die Einladung der Dame
überprüfte und sie hineinführte. Wenn er sah, wie hier bereits die Diener
gekleidet waren, fühlte Purefoy sich erbärmlich schlecht angezogen. Er
überprüfte noch einmal den Anzug und fand ihn schrecklich verknittert. Feucht war
er obendrein. Seufzend klopfte er die Taschen ab und fand die Einladungskarte.
Unsicher stieg er die Treppe hinauf und zeigte sie dem älteren Diener mit dem
schütteren Haar, der Purefoy von oben bis unten musterte und eine Augenbraue
hochzog, ehe er die Karte überprüfte.
    Â»Ah ja, Sir, Sie kommen von der Times .
Hier entlang, bitte.« Die ganze Haltung des Mannes
hatte sich nach dem Anblick der Einladung schlagartig verändert. Purefoy
betrachtete ihn neugierig. Es war schwer zu sagen, ob der Butler sein zuvor recht
hochmütiges Gehabe aufgegeben hatte, weil er so große Achtung vor der Zeitung
empfand, oder ob er die Erwartungen heruntergeschraubt hatte, da er nun wusste,
dass Purefoy lediglich ein Reporter war. Egal, dies spielte so oder so keine
Rolle. Er folgte dem Butler durch den großen Vorbau, der mit beeindruckendem
Buntglas und Minton-Fliesen ausgestattet war, und trat durch die Innentür, die
der Butler ihm am anderen Ende aufhielt, ins Haus. Gleich darauf stand er in
der riesigen Eingangshalle, wo der Empfang bereits in vollem Gange war.
    Purefoy blickte sich erstaunt um. So etwas hatte er im Leben noch
nicht gesehen. Eine mächtige Treppe dominierte den Raum. Die geschwungenen Geländer
öffneten sich weiter oben zu einer Galerie, von der aus man in die belebte
Halle hinabblicken konnte. Auf dem gefliesten Boden standen in regelmäßigen Abständen
gläserne Vitrinen, in denen die wundervollsten goldenen Schätze aus der
Grabstätte des mumifizierten Königs ausgestellt waren. Die mit Getränken
versorgten Gäste drängten sich zwischen den Vitrinen, gaben gurrende Laute von
sich, warfen einander verstohlene Blicke zu und sahen rasch wieder weg. Purefoy
hätte beinahe laut gelacht. Es entsprach haargenau sämtlichen Klischees, die er
kannte, und war sogar noch opulenter und extravaganter, als er es sich je hätte
ausmalen können. Die Frauen schwebten in prächtigen bunten Seidenkleidern dahin
und hielten die Trinkgläser vor sich wie Talismane. Die Männer wirkten mit
ihren Abendanzügen eher streng und standen in kleinen Gruppen beisammen, um
sich mit gedämpften Stimmen zu unterhalten. Das hier, dachte Purefoy bei sich selbst, das hier ist die Creme der
Londoner Gesellschaft, alle in einem einzigen Raum versammelt. Er war nicht
sicher, ob er mit einem Schwindelgefühl oder doch lieber mit Entsetzen
reagieren sollte.
    Ein wenig verloren sah er sich nach jemandem um, den er kannte.
Einige Gesichter hatte er schon einmal auf Portraits und Fotografien betrachtet,
doch es geziemte sich nicht, diese Leute ohne förmliche Vorstellung einfach
anzusprechen. Er blickte zur Galerie hinauf, wo Lord Winthrop persönlich am
Geländer lehnte und das Treiben beobachtete. Der Gastgeber lächelte breit, und
als er Purefoys Blick bemerkte, winkte er dem Reporter kurz zu. Dann löste er
sich vom Geländer und schlenderte zur Treppe.
    Purefoy war Lord Winthrop bisher nur ein einziges Mal begegnet. Der
Lord hatte in der vergangenen Woche die Redaktion der Times aufgesucht und mit dem Chefredakteur den Exklusivbericht über seine Funde
verabredet. Er war ein leutseliger Kerl von entgegenkommendem Benehmen, doch
Purefoy war nicht naiv und vergaß keineswegs, dass Winthrop vor allem deshalb
geradewegs auf ihn zusteuerte, weil er für die Morgenausgabe über das Ereignis
berichten sollte. Purefoy lächelte und gab dem Lord die Hand, während sich die
anderen Gäste umdrehten und sich fragten, wen ihr
Gastgeber nun gerade mit seiner Aufmerksamkeit beehrte.
    Â»Mister Purefoy! Wie schön, Sie zu sehen! Gefällt Ihnen die Party?« Lord Winthrop war ein großer, kräftiger Mann mit breiten
Schultern, einem langen, ergrauten Bart und zurückweichendem Haaransatz. An
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