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Osiris Ritual

Osiris Ritual

Titel: Osiris Ritual
Autoren: George Mann
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wäre. Der Forscher
griff einfach in den Sarg hinein, hob den verwesten Körper heraus und legte ihn
auf den Tisch, sobald Arthur den leeren Sarg entfernt hatte. Lächelnd wandte er
sich an Purefoy. »Jetzt werden wir sehen, wie unser alter König aus der Welt
geschieden ist.«
    Er nahm wieder das Messer zur Hand, mit dem er die äußere Hülle
aufgebrochen hatte, und schlitzte die Wicklungen an der rechten Seite der Mumie
auf. Dann packte er eine Handvoll Bandagen, schälte sie nacheinander ab und
warf die Stücke achtlos auf den Boden. Purefoy war so entsetzt, dass er den
Lord wegen seiner Misshandlung des alten Artefakts beinahe laut zur Rede
gestellt hätte. Im letzten Moment erinnerte er sich, wer er war, und hielt sich
zurück. Immer mehr zerknülltes Leinen fiel zu Boden.
    Bald hatte Winthrop einen großen Teil der wächsernen Haut
freigelegt. Sie war teilweise verwest, vom Alter vergilbt und erinnerte an gegerbtes
Leder, das über die Zeit und dank exotischer Mittel gehärtet war. Aus den
Wicklungen hatte Winthrop außerdem eine Reihe kleiner Objekte befreit: kleine
Edelsteine und Talismane, mehrere blaue Uschebti-Ikonen und eine goldene
Scheibe, auf die verschlungene Hieroglyphen gestanzt waren. Newbury stand die
ganze Zeit da und sah mit unbewegter Miene zu.
    Gleich darauf hatte Winthrop alles bis auf den Kopf des vor langer
Zeit gestorbenen Ägypters befreit. Inzwischen war klar, dass der Körper nur
unvollkommen erhalten geblieben war. Auf den Rippen war das Fleisch verwest,
und die Knochen des Toten lagen frei. Die Hände waren nichts weiter als
knochige Ausläufer, an denen winzige Hautreste hingen. Schwitzend richtete
Winthrop sich auf und rieb sich die Hände. Inzwischen war er so in die Aufgabe
vertieft, dass er die vielen Menschen, die ihm gespannt zusahen, völlig vergessen
hatte. Als er schließlich wieder sprach, brachte er kaum mehr als ein Flüstern
heraus. »Jetzt betrachten wir zum ersten Mal seit viertausend Jahren das
Gesicht unseres Pharaos.«
    Er packte ein loses Ende der Leinenbänder und wickelte sie langsam
vom Kopf der Mumie ab. Bald stellte sich heraus, dass auf dem Kopf noch dichte
schwarze Haarbüschel saßen, die sich jedoch lösten, sobald die Bandage entfernt
war. Während die letzten paar Wicklungen entfernt wurden und das Gesicht des
Ägypters freigelegt wurde, herrschte atemlose Stille.
    Sobald es gut zu erkennen war, schrie eine Frau auf. Winthrop
schauderte sichtlich und wich einen Schritt von der Mumie zurück. Purefoy
starrte den Toten entsetzt an. Einige andere Gäste im Salon stießen
erschrockene Rufe aus.
    Das Gesicht des Toten war vor Angst und Qual verzerrt. Er kreischte,
hatte den Mund zu einem stummen, jahrtausendealten Schrei geöffnet. Die Gesichtszüge
waren teilweise erhalten, die Augen mit grobem Faden zugenäht, die Stirn unter
großen Schmerzen tief gefurcht.
    Newbury drehte sich zu Purefoy herum, dem der Schreck deutlich
anzumerken war. »Mein Gott! Sie haben ihn bei lebendigem Leibe mumifiziert.«
    Winthrop hatte das Gerät vom Kopf genommen und war einen Schritt vom
Tisch zurückgewichen. Er war leichenblass. Die Gäste im Raum murmelten
verstört. Schließlich eilte der letzte Expeditionsteilnehmer herbei und bedeckte
die Mumie rasch mit einem weißen Tuch. Arthur holte Winthrop einen Brandy aus
einem Schrank neben dem Kamin. Die ersten Gäste zogen sich bereits in die Halle
zurück, wo die Automaten auch ihnen Getränke servierten.
    Newbury legte Purefoy eine Hand auf den Arm. »Kommen Sie mit, guter
Mann. Ich glaube, für heute ist die Party vorbei.« Sie
folgten den anderen Gästen in die große Eingangshalle. Purefoy sah sich noch
einmal zu Winthrop um, der mit zitternden Händen seinen Weinbrand mit einem
großen, langen Zug kippte.
    Er wandte sich an Newbury. »Ich muss zugeben, dies war nicht ganz
das, was ich erwartet habe.«
    Newbury lächelte. »So geht es auch mir. Dennoch kann ich nicht umhin
zu denken, dass alle Anzeichen vorhanden waren. Es war unverkennbar, dass es
eine ungewöhnliche Bestattung war, und nun haben wir ein Geheimnis. Es muss
einen Grund dafür geben, dass der Mann lebendig  mumifiziert wurde.«
Mit strahlenden Augen erwiderte er Purefoys Blick. »Ich mag Geheimnisse, Mister
Purefoy.«
    Der Reporter lächelte. »Nun, ich glaube, das war einstweilen genug
Aufregung für mich, Sir
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