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Ort des Grauens

Ort des Grauens

Titel: Ort des Grauens
Autoren: Dean R. Koontz
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von den beiden völlig unmöglich war.
    Julie, die realisierte, was da los war, saß absolut still, die verletzte Hand im Schoß. Mit der anderen hielt sie sich an Bobby fest. Er wußte, sie verstand, daß Frank sich für sie opferte. Und daß sie es ihm nun schuldig waren, Zeugen seines Heldentums zu sein, daß sie es ihm schuldig waren, ihn in ihrer Erinnerung lebendig zu halten, so wie sie es für Thomas und Hal, Clint und Feiina taten.
    Das war eine der wesentlichsten und heiligsten Pflichten, die gute Freunde oder die Familie einander erweisen konnten: Sie hüteten die Flamme der Erinnerung, so daß niemandes Tod sein augenblickliches Verschwinden von der Erde bedeutete. In gewisser Weise lebte der Verstorbene so auch nach seinem Hinscheiden weiter. Solche Erinnerungen waren eine entscheidende Waffe gegen das Chaos des Lebens und des Todes, waren ein Weg, von Generation zu Generation eine gewisse Stetigkeit sicherzustellen, waren eine Zusatzklausel für die Ordnung und den Sinn des Lebens.
    Pfeifen, Wind: Die Brüder kehrten von einer weiteren Serie von rasend schnellen Dekonstruktionen und Rekonstruktionen zurück, und jetzt waren sie eine einzige Kreatur von kataklystischer Biologie. Der Körper war riesig, über 2,10 Meter groß, breit und massig, denn er umfaßte nun beider Körper. Der eine Kopf, der darauf saß, hatte ein Gesicht zum Alpträumen: Franks braune Augen waren völlig falsch plaziert, ein schiefer Mund bildete einen Spalt zwischen ihnen, wo eigentlich eine Nase sein sollte, und ein zweiter Mund verunzierte die linke Wange. Zwei gequälte, kreischende Stimmen erfüllten die Küche. Ein weiteres Gesicht saß in der Brust, ohne Mund, aber mit zwei Augenhöhlen, in deren einer ein starres Auge lag, so blau wie Candys. Die zweite Augenhöhle war mit stacheligen Zähnen gefüllt.
    Das krumm dastehende Biest verschwand, kehrte dann noch einmal zurück, nach weniger als einer Minute. Dieses Mal war es eine undifferenzierte Gewebemasse, an manchen Stellen dunkel, an anderen von einem abscheulichen Rosa, durchsetzt von Knochenbruchstücken, verziert mit spärlichen Haarbüscheln, marmoriert von Adern, die in unterschiedlichen Rhythmen pulsierten.
    Irgendwann unterwegs hatte Frank zweifellos diese Gasse in Kalkutta besucht oder irgendeinen Ort, der ähnlich war, denn er hatte Dutzende von Schaben mitgebracht, nicht nur eine - und auch Ratten. Sie waren überall im Gewebe eingebettet, überall, wo Bobby hinsah, was sicherstellte, daß Candys Fleisch zu stark zersetzt und verseucht war, um jemals ordentlich rekonstruiert werden zu können.
    Die monströse und ganz augenscheinlich funktionsunfähige Masse fiel zu Boden, zappelte und bebte. Und lag endlich still. Einige der Nagetiere und Insekten zitterten und wanden sich weiter, versuchten, sich zu befreien. Unentwirrbar verbunden mit der toten Masse, würden sie bald ebenfalls verenden.

57
    Das Haus war einfach und lag an einem Abschnitt der Küste, der noch nicht en vogue war. Die rückwärtige Veranda ging zur See hinaus, und Holzstufen führten zu einem mit Büschen bewachsenen Hof, der in den Strand überging. Da standen zwölf Palmen.
    Das Wohnzimmer war mit ein paar Stühlen, einem zweisitzigen Sofa, einem Couchtisch und einer Wurlitzer 950möbliert. Die Jukebox war mit Platten aus der Bigband-Ära bestückt. Der Fußboden bestand aus kompakter gebleichter Eiche, und manchmal schoben sie die Möbel an die Wand, rollten den Teppich auf, drückten ein paar Nummern auf der Juxebox und tanzten zusammen. Ganz allein.
    Das geschah meist an den Abenden.
    Morgens wühlten sie sich in der Küche durch Rezeptbücher, wenn sie nicht gerade Liebe machten, und rührten Kuchenteige an. Oder sie saßen einfach mit einer Tasse Kaffee am Fenster, beobachteten die See und unterhielten sich.
    Sie hatten Bücher, zwei Kartenspiele, Interesse an Seevögeln und anderen Tieren, die an der Küste lebten, sowohl gute wie schlechte Erinnerungen - und einander. Immer einander.
    Manchmal sprachen sie über Thomas und rätselten wegen der Gabe herum, die er besessen und sein ganzes Leben lang geheimgehalten hatte. Sie sagte, es lasse einen demütig werden, wenn man daran denke, daß jeder und alles weit komplexer und mysteriöser sei, als man ahnen könne.
    Um die Polizei loszuwerden, hatten sie zugegeben, für einen Frank Pollard aus El Encanto Heights gearbeitet zu haben, der glaubte, sein Bruder James versuche ihn wegen eines Mißverständnisses zu töten. Sie sagten, sie
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